Die Strommärkte in Europa unterliegen einem ständigen Wandel, welcher aktuelle Preisszenarien unabdingbar macht. Nur so lassen sich beispielsweise Marktentwicklungen, Assets und Verträge, Investitionsentscheidungen oder Geschäftsmodelle richtig bewerten.
Der „EU Energy Outlook 2050“ zeigt die Entwicklung des „Energy Brainpool“-Szenarios für EU-28, Norwegen und Schweiz. Die tatsächlichen Prozesse in den Einzelländern können deutlich variieren. Um fundiert entscheiden zu können, sind detaillierte Modellierungen der einzelnen nationalen Märkte und der dortigen Einflussfaktoren inklusive Sensitivitätsanalysen unerlässlich.
Wie sieht der Kraftwerkspark der Zukunft aus?*
![Installierte Erzeugungskapazitäten in EU-28 (zzgl. NO und CH) nach Energieträger, Quelle: Energy Brainpool, „Energy, transport and GHG emissions Trends to 2050 – Reference Scenario 2016“ [1], “TYNDP 2018” [4] Installierte Erzeugungskapazitäten in EU-28 (zzgl. NO und CH) nach Energieträger, Quelle: Energy Brainpool, „Energy, transport and GHG emissions Trends to 2050 – Reference Scenario 2016“ [1], “TYNDP 2018” [4]](http://blog.energybrainpool.com/wp-content/uploads/2019/01/Bild1.png)
Abbildung 1: installierte Erzeugungskapazitäten in EU-28 (zzgl. NO und CH) nach Energieträger, Quelle: Energy Brainpool, „Energy, transport and GHG emissions Trends to 2050 – Reference Scenario 2016“ [1], “TYNDP 2018” [4]
Um den Klimawandel zu begrenzen, werden Ersatztechnologien benötigt, die emissionsarm sind – eine Renaissance der Kohle ist deshalb ausgeschlossen. Für die Zukunft sind bekannte und erprobte Technologien verfügbar: Gaskraftwerke, erneuerbare Energien sowie Kernkraftwerke.
Vor allem Windkraft und Photovoltaik haben weiterhin ein großes Wachstumspotenzial. Diese Technologien sind heute wettbewerbsfähig – dank der stark gesunkenen Kosten in den letzten zehn Jahren. Experten erwarten, dass sich die Entwicklung fortsetzt. Im „EU Energy Outlook 2050“ steigt der Anteil dieser fluktuierenden erneuerbaren Energien (feE) bis in das Jahr 2050 auf fast 50 Prozent der gesamten Angebotsleistung.
An steuerbaren, fossilen Erzeugungskapazitäten werden auf europäischer Ebene in Zukunft vor allem Gaskraftwerke zugebaut. Das liegt an den geringeren Emissionen im Vergleich zu Kohlekraftwerken. Letztere verlieren selbst mit Carbon-Capture-Storage (CCS) weiter an Bedeutung.
Die Kapazitäten von Kernkraft- und Kohlekraftwerken verringern sich um mehr als 55 Prozent bis 2050. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien, die Niederlande sowie Belgien haben für die Zukunft Kohleausstiege angekündigt. Dadurch ist insbesondere bei der Steinkohle ein starker Rückgang der aktuell installierten Leistung auf rund 55 Prozent bis zum Jahr 2030 zu beobachten.
In der Gesamtbetrachtung reduziert sich der Anteil der Erzeugungskapazität steuerbarer, thermischer Kraftwerke von 50 Prozent auf etwa 30 Prozent bis zum Jahr 2050. Dies hat erheblichen Einfluss auf die Struktur der Strompreise, welche zunehmend durch feE geprägt sind.
Bis 2050 steigt der Anteil erneuerbarer Energien auf 65 %
![Bruttostromerzeugung und -nachfrage nach Energieträgern EU-28 (zzgl. NO und CH), Quelle: Energy Brainpool, „Energy, transport and GHG emissions Trends to 2050 – Reference Scenario 2016“, “TYNDP 2018” [4] Bruttostromerzeugung und -nachfrage nach Energieträgern EU-28 (zzgl. NO und CH), Quelle: Energy Brainpool, „Energy, transport and GHG emissions Trends to 2050 – Reference Scenario 2016“, “TYNDP 2018” [4]](http://blog.energybrainpool.com/wp-content/uploads/2019/01/Bild2.png)
Abbildung 2: Bruttostromerzeugung und -nachfrage nach Energieträgern EU-28 (zzgl. NO und CH), Quelle: Energy Brainpool, „Energy, transport and GHG emissions Trends to 2050 – Reference Scenario 2016“, “TYNDP 2018” [4]
Die produzierte Strommenge aus Kohlekraftwerken ist stark rückläufig und nimmt bis 2030 um rund 60 Prozent und bis 2050 um rund 95 Prozent ab. Die Produktion aus Gaskraftwerken erhöht sich indes um rund 40 Prozent bis zum Jahr 2050. Im Jahr 2050 erzeugen Wind- und Solaranlagen rund 44 Prozent Prozent des Stroms. Rund 36 Prozent des Stroms stammt aus steuerbaren, fossilen Kraftwerken. Die restlichen Strommengen werden durch steuerbare, erneuerbare Energien produziert, wie zum Beispiel Biomassekraftwerke oder Speicherseen.
Die Stromnachfrage steigt bis 2050 um circa 17 Prozent. Vor allem das Bevölkerungswachstum und mehr Elektrifizierung in den Haushalten erhöhen den Strombedarf. Der Großteil des Wirtschaftswachstums findet laut den Plänen der Europäischen Kommission im tertiären Dienstleistungssektor statt, welcher ebenfalls mehr Strom benötigt.
Im Industriesektor kann durch eine gesteigerte Effizienz ein deutlicher Anstieg des Stromverbrauchs verhindert werden. Dieses Szenario bewertet konservativ, wie sich die Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Transport entwickeln werden. Im Personenverkehr werden Hybrid-Autos den Verbrauch von Rohstoffen reduzieren. Zeitgleich werden die Emissionen im Wärmesektor durch gesteigerte Effizienz und geringere Verbräuche von Kohle und Öl sinken.
Die langfristige Entwicklung von Rohstoffpreisen

Abbildung 3: Commodity-Preise, Quelle: World Energy Outlook 2018 („Sustainable Development“) und eigene Berechnungen Energy Brainpool
Die Entwicklung der wichtigsten Commodities basiert bis 2040 auf dem „Sustainable Development“ Szenario des World Energy Outlooks 2018 der IEA [2]. In diesem Szenario sind drei Ziele definiert: Stabilisierung des Klimawandels, saubere Luft und ein universeller Zugang zu moderner Energie [3].
In diesem Szenario steigen die Preise für CO2-Zertifikate deutlich. Die Preise für Gas, Öl und Steinkohle bleiben auf einem relativ konstanten Niveau. Die Entwicklung von 2040 bis 2050 wird extrapoliert.
Entwicklung durchschnittlicher Strompreise

Abbildung 4: jährliche Baseload-Preise und Schwankungsbreite nationaler Einzelmärkte ausgewählter Staaten in Europa im Durchschnitt, Quelle: Energy Brainpool
Für die Entwicklung der durchschnittlichen, ungewichteten Strompreise der Jahre 2020 bis 2040 sind vor allem Primärenergie- und CO2-Preise relevant (für ausgewählte europäische Staaten). Ab dem Jahr 2040 werden die Strompreise trotz steigender Gas- und CO2-Preise stagnieren bzw. leicht sinken. Der Grund: Hohe Einspeisungen aus Wind- & Photovoltaik-Kraftwerken führen zunehmend zu geringen und häufiger auch negativen Strompreisen.
Die tatsächlichen Entwicklungen in den Einzelländern weichen zum Teil sehr deutlich voneinander ab. Dies zeigen die dargestellten Schwankungsbreiten. Insbesondere Länder mit geringem Ausbau von erneuerbaren Energien verzeichnen einen stetigen Anstieg der Strompreise (aufgrund der Entwicklung der Commodity-Preise).

Abbildung 5: monatliche Baseload-Preise ausgewählter EU-Staaten im Durchschnitt, Quelle: Energy Brainpool
Betrachten wir die Strompreise auf monatlicher Basis, ist die Saisonalität und Volatilität des Strommarktes erkennbar. Für den Winter zeigen die Analysen steigende Preise, bedingt durch die Temperatursensitivität der Stromnachfrage.
Demgegenüber liegen die Strompreise im Sommer meist deutlich niedriger. Dieser Effekt wird durch den steigenden Anteil solarer Stromerzeugung verstärkt, welche sich preissenkend auswirken.
Welche Erlöse können Windkraftanlagen erzielen?

Abbildung 6: Vermarktungswerte und -mengen für Wind in ausgewählten EU-Staaten im Durchschnitt, Quelle: Energy Brainpool
Der Vermarktungswert ist der durchschnittliche mengengewichtete Strompreis, den Windkraftwerke am Spotmarkt erzielen können. Es werden nur Erzeugungsstunden mit positiven Strompreisen berücksichtigt (inklusive 0 EUR/MWh). Bis zum Jahr 2040 steigt der Vermarktungswert der Windenergie an und fällt dann leicht ab – bedingt durch weiterhin steigende Kapazitäten.
Die parallele Erzeugung verringert die Strompreise in diesen Stunden (Merit-Order-Effekt). Die Vermarktungsmengen (Anteil der erzeugten Mengen zu Strompreisen >=0 EUR/MWh) gehen dabei im EU-Durchschnitt nur leicht, in einzelnen Ländern teilweise auch sehr deutlich zurück. Die Vermarktungserlöse ergeben sich aus dem Produkt der Vermarktungswerte und Vermarktungsmengen.
Die vielen Stunden, in denen trotz des hohen Anteils von erneuerbaren Energien steuerbare, fossile Kraftwerke den Preis setzen, ermöglichen steigende positive Erlösströme. Die Schwankungsbreite der Märkte zeigt, wie unterschiedlich die landesspezifischen durchschnittlichen Erlösmöglichkeiten von Windenergieanlagen sind.
Im White Paper „Bewertung der Strommarkterlöse von Anlagen fluktuierender erneuerbarer Energien“ definiert Energy Brainpool unter anderem die Indizes Vermarktungswert und -mengen. Diese Indizes ermöglichen eine realistische Ermittlung der Erlöspotenziale von fluktuierenden, erneuerbaren Energien am Strommarkt.
Welche Erlöse können Photovoltaik-Anlagen (Solar) erzielen?

Abbildung 7: Vermarktungswerte und -mengen ausgewählter EU-Staaten im Durchschnitt, Quelle: Energy Brainpool
Die Entwicklung der Vermarktungswerte der Solarenergie gleicht dem Trend der Vermarktungswerte für Windenergie, aber auf einem niedrigeren Niveau. Grund hierfür ist der stark ausgeprägte Gleichzeitigkeitseffekt der Solarenergie: Der Großteil des Stroms wird in den Tagesstunden im Sommer erzeugt. In Stunden, in denen viel Solarstrom erzeugt wird, sinken der Strompreis und damit die Erlöse.
Die Vermarktungsmengen für Solarenergie gehen im EU-Durchschnitt auch nur leicht, in einzelnen Ländern jedoch sehr deutlich zurück. Die große Schwankungsbreite der Solar-Vermarktungswerte in den Einzelstaaten zeigt, wie stark die Erlösmöglichkeiten variieren. Hier gilt es jedoch zu beachten, dass in einem sonnenreichen Land auch mit geringen Vermarktungswerten hohe Erlöse möglich sind. Der Grund dafür ist, dass die Anlagen besser ausgelastet sind.
Solarthermische Anlagen zur Stromerzeugung sind im Szenario eine Randtechnologie und werden nicht in großem Umfang ausgebaut.
Zunahme der Preisvolatilität im Detail

Abbildung 8: Entwicklung der Baseload-Preise und Quantile der Stundenpreise ausgewählter EU-Staaten, Quelle: Energy Brainpool
Im Szenario führen viele Faktoren zu einem deutlichen Anstieg der Preisvolatilität. Auf der einen Seite steigen die Erzeugungskosten der steuerbaren, fossilen Kraftwerke aufgrund der Entwicklung der Commodity-Preise. Auf der anderen Seite hat der Ausbau fluktuierender, erneuerbarer Energien einen preissenkenden Effekt. Im Ergebnis treten aus heutiger Sicht extreme Preise deutlich häufiger auf und werden zu einem normalen Bestandteil der Strompreisstruktur des Day-Ahead-Marktes.
Nationale kapazitätsspezifische Erlöse fluktuierender erneuerbarer Energien

Abbildung 9: Nationale kapazitätsspezifische Erlöse Solar im Jahr 2030 in EUR2017/kWpnat ausgewählter EU-Staaten, Quelle: Energy Brainpool

Abbildung 10: Nationale kapazitätsspezifische Erlöse Onshore im Jahr 2030 in EUR2017/kWnat ausgewählter EU-Staaten, Quelle: Energy Brainpool
An welchen Standorten und Ländern bzw. in welche Technologie soll investiert werden? Dazu müssen einerseits die durchschnittlichen Erlöse fluktuierender erneuerbarer Energien mittels des Vermarktungswertes in EUR/MWh betrachtet und andererseits die jährlichen Energiemengen der jeweiligen Technologie und des Standortes mit berücksichtigt werden.
Dies wird durch den kapazitätsspezifischen Erlös möglich. Er stellt die jeweiligen durchschnittlichen Erlöse pro installierter kW da. Eine PV-Anlage in Spanien erwirtschaftet durchschnittlich in EUR/MWh weniger Erlöse als eine PV-Anlage in den UK, durch die hohe Auslastung und damit Volllaststunden in Spanien relativiert sich das, sodass die Anlage pro kW letztendlich mehr Erlöse erzielt als in den UK. Eine solche Kenngröße kann selbstverständlich auch standortgenau ermittelt werden.
Die Ergebnisse zeigen, dass Windenergieanlagen eher in den Nordeuropäischen Staaten einen höheren Erlös erzielen können, während Solaranlagen eher in den Südeuropäischen Staaten einen Erlösvorteil haben.
Schwankungen bedingt durch unterschiedliche Szenario-Annahmen

Abbildung 11: Trends in den unterschiedlichen Szenarien ausgewählter EU-Staaten, Quelle: Energy Brainpool
Energy Brainpool bietet eine Vielzahl unterschiedlicher geschlossener Szenarien an. Abbildung 11 zeigt die unterschiedlichen Trends der Szenarien. Die Schwankungen betreffen hierbei sowohl die Annahmen zu der Entwicklung der Commodities-Preise sowie des Kraftwerksparkes und der E-Mobilität und weiterer Flexibilitätsoptionen.
Abbildung 12 zeigt die dazugehörigen Ergebnisse der Strompreise der jeweiligen Szenarien.

Abbildung 12: Entwicklung der Strompreise in EUR2017/MWh der jeweiligen Szenarien ausgewählter EU-Staaten, Quelle: Energy Brainpool
* EU-28 inkl. Norwegen und Schweiz, je nach Auswertung wurden nur die signifikantesten Staaten ausgewählt, um den Mittelwert zu bestimmen.
[1] https://ec.europa.eu/energy/sites/ener/files/documents/ref2016_report_final-web.pdf
[2] https://www.iea.org/weo2017/
Der Beitrag EU Energy Outlook 2050 – Wie entwickelt sich Europa in den nächsten 30 Jahren? erschien zuerst auf Energy BrainBlog.