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Update EU Energy Outlook 2060: Wie entwickelt sich der europäische Strommarkt in den nächsten 37 Jahren?

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Die Europäische Kommission hat Mitte März 2023 einen Reformvorschlag zum europäischen Strommarktdesign vorgelegt, nachdem die Energiemärkte im vergangenen Jahr turbulent waren. Ein wichtiger Aspekt dieses Vorschlags ist, dass die Kommission auch zukünftig das Prinzip der Merit-Order verwenden wird, um den Strompreis zu bestimmen. Dies zeigt, dass die Berechnung von Strompreisszenarien, die auf Basis eines Fundamentalmodells berechnet werden, nach wie vor eine stimmige und belastbare Methode darstellen, um die Höhe der zukünftigen Strompreise abzubilden.

Zudem zielt der Vorschlag der Kommission auch darauf ab, die Stärke von erneuerbaren Energien gegenüber Energiepreisschocks zu erhöhen. Zukünftig sollen sogenannte Differenzverträge (CfDs) bei öffentlichen Ausschreibungen sowie nationalen Garantiesystemen für Power Purchase Agreements (PPAs) im bilateralen Handel die Investitionen in erneuerbare Energien fördern und vor der Volatilität des Strompreises schützen.

Auch fordern die Politiker:innen in dem Vorschlag verstärkt, in Energiespeicher und Demand-Side-Response-Lösungen zu investieren. Diese Maßnahmen würden mittel- bis langfristig den Energiemarkt umgestalten. Infolgedessen ändert sich permanent die Bewertung von Marktentwicklungen, Assets und Verträgen, Investitionsentscheidungen, Power Purchase Agreements (PPAs) oder Geschäftsmodellen.

Der „EU Energy Outlook 2060“ von Energy Brainpool veranschaulicht die Rohstoffpreise, den Kraftwerkszubau und die Stromnachfrage, sowie die Strompreise bis zum Jahr 2060. So erhält man einen Eindruck über die mögliche Entwicklung des Energiemarktes in der Zukunft. Der „EU Energy Outlook 2060“ zeigt die Entwicklungen in Energy Brainpools Strompreisszenario „Central“ für die EU 27, inklusive Norwegen, der Schweiz und Großbritannien. Allgemein ist zu sagen, dass die tatsächlichen Veränderungen in jedem Land erheblich variieren können. Um fundiert entscheiden zu können, sind detaillierte Modellierungen der nationalen Märkte und der länderspezifischen Einflussfaktoren, einschließlich Sensitivitätsanalysen, unerlässlich.

Energy Brainpools Strompreisszenarien

Energy Brainpool bietet aktuell vier Strompreisszenarien an. Abbildung 1 zeigt die unterschiedlichen Trends der Szenarien. Die Schwankungen betreffen die Annahmen zur Entwicklung der Commodity-Preise sowie des Kraftwerksparks und der flexiblen Stromnachfrage.

Trends in den unterschiedlichen Szenarien (Quelle: Energy Brainpool, 2023)

Abbildung 1: Trends in den unterschiedlichen Szenarien (Quelle: Energy Brainpool, 2023)

Das „Central“-Szenario

Im „Central“-Szenario wird angenommen, dass Europa den Import von russischem Pipeline-Gas bis spätestens 2027 aufgrund der aktuellen Spannungen mit Russland vollständig beendet. Infolgedessen richtet sich der Erdgaspreis in Europa nach dem Weltmarktpreis für LNG. Langfristig werden synthetische Kraftstoffe und insbesondere „grüner“ Wasserstoff fossiles Erdgas ersetzen. Falls Erdgas nach 2040 noch für die Stromerzeugung genutzt wird, muss der Preis bei steigendem CO2-Preis entsprechend sinken, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

In dem Szenario wird angenommen, das das Energiesystem stark dezentralisiert wird mit einem deutlichen Ausbau der Erneuerbaren. Ziel ist es, die allgemeine Abhängigkeit vom Import von fossilen Energieträgern mittelfristig zu verringern und so schnell wie möglich zu beenden. Dies geht einher mit einem Anstieg der flexiblen Stromnachfrage: Neben der zunehmenden Produktion von Wasserstoff durch Elektrolyseure wird der Wärmesektor bis 2060 vollständig dekarbonisiert, wenn der Ausbau der Wärmepumpen fortgesetzt wird. Bis zum Jahr 2060 wird der Anteil der Elektromobilität in Europa bei Personen- und Lastkraftwagen auf 95 Prozent ansteigen.

Das „Tensions“-Szenario

Laut dem Szenario „Tensions“ werden die gegenwärtigen Spannungen zwischen Russland und dem Westen in den kommenden Jahren anhalten und sich verschärfen. Infolgedessen beendet Europa den Import von russischem Pipeline-Gas so bald wie möglich. Der Preis für Erdgas orientiert sich dann am Weltmarktpreis für LNG. Dabei befinden sich die europäischen Verbraucher:innen in einem Wettbewerb um LNG mit den asiatischen Märkten. Dies führt mittelfristig auch zu einem hohen Erdgas-Preisniveau.

Gleichzeitig steigen, im Vergleich zum „Central“-Szenario, die CO2-Preise. Diese zusätzlichen Einnahmen sollen Staatsschulden refinanzieren und die technologische Entwicklung beim Einsatz von Wasserstoff fördern. In manchen Ländern, beispielsweise in Deutschland, geht der Ausbau von Erneuerbaren unter anderem durch einen Fachkräftemangel und unzureichende politische Förderung langsamer voran als im „Central“-Szenario.

Das „Relief“-Szenario

Im Szenario „Relief“ wird erwartet, dass sich die Beziehung zwischen Europa und Russland in den nächsten Jahren wieder entspannt. Dadurch wird auch mittelfristig weiterhin das russische Pipeline-Gas bezogen. Trotzdem besteht in Europa ein politischer Wille, die Abhängigkeit von russischen Rohstoffen zu begrenzen und langfristig zu reduzieren. Aus diesem Grund wird weniger russisches Gas importiert als vor dem Krieg in der Ukraine. Außerdem werden die Ausbauziele bei den Erneuerbaren, die während der aktuellen Krise beschlossen wurden, aufrechterhalten.

GoHydrogen: Eine Wasserstoff-Energiewelt

Der EU Green Deal formuliert zum ersten Mal auf europäischer Ebene ein klares Ziel, um die europaweite Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Obwohl das Ziel feststeht, sind die Wege dahin noch unklar. Mit „GoHydrogen“ haben wir ein Szenario entwickelt, wie sich die gravierende Umwandlung des Energiesystems vor diesem Hintergrund gestalten lässt.

In Zukunft wird Wasserstoff als Ersatz für fossiles Erdgas in Europa verwendet – so lautet die zentrale Aussage im Szenario „GoHydrogen“ für eine zukünftige Energieversorgung. Wasserstoff avanciert zu einem der Hauptenergieträger, da sein Nutzungspotential in den wichtigsten Energiesektoren voll ausgeschöpft. In zahlreichen Anwendungen werden Wasserstofftechnologien eine Schlüsselrolle spielen: Brennstoffzellen-Lkws, klimaneutraler Stahl aus dem Direktreduktionsverfahren, stoffliche Nutzung in der chemischen Industrie und wasserstoffbasierte Heizsysteme zum Energieeintrag in bestimmte Wärmenetze.

Daher wird bis 2050 ein europaweiter Wasserstoffbedarf von über 2.200 TWhBrennwert benötigt, wobei die heimische (europäische) Wasserstofferzeugung (überwiegend durch Elektrolyseure) zu 50 % ausreicht. Es wird angenommen, dass die Elektrifizierungsrate für bestimmte Anwendungen wie privater Verkehr, Bereitstellung von industrieller Prozesswärme und Wärmeversorgung für Gebäude steigen wird. Dies führt zu einem deutlichen Anstieg der gesamten Stromnachfrage, inklusive des Stromverbrauchs der Elektrolyseure.

Es wird angenommen, dass bis 2050 eine jährliche europaweite Stromnachfrage von über 5.700 TWh besteht. Dies entspricht fast einer Verdopplung des heutigen Stromverbrauchs. Hauptsächlich wird die Zunahme der Stromnachfrage durch den umfangreichen Zubau von erneuerbaren Erzeugungsanlagen wie Onshore- und Offshore-Windkraftanlagen sowie Solaranlagen, aber auch durch den Zubau von „H2-fähigen“ Gasturbinen ausgeglichen.

Regionen wie MENA, Subsahara-Afrika, Australien sowie Süd- und Nordamerika weisen ein hohes Exportpotential für Wasserstoffimporte auf. Die MENA-Länder befinden sich aufgrund umrüstbarer Erdgaspipelines und der geografischen Nähe zu Europa in einer Schlüssel-Position. Weitere Informationen zum „GoHydrogen“-Szenario finden Sie in einem neuen Whitepaper (https://www.energybrainpool.com/services/white-paper.html).

Die Entwicklung der Rohstoffpreise

Kurzfristig werden für die Brennstoff- und CO2-Preise die aktuellen Entwicklungen auf den Terminmärkten berücksichtigt. Die Brennstoffpreise sind in den letzten sechs Monaten wieder deutlich gesunken, im Vergleich zu den Rekordhöhen Mitte 2022. Abbildung 2 zeigt exemplarisch den Verlauf des Future Preises für Erdgas (TTF) für das Lieferjahr 2024. Dennoch werden die Gas- und Steinkohlepreise in den kommenden Jahren leicht fallen wie in Abbildung 4 sichtbar wird.

Future-Preise Gas-TTF, Energy Brainpool

Abbildung 2: Future-Preise Gas-TTF (Quelle: ICE)

Die Entwicklung der mittel- und langfristigen Commodity-Preise für Steinkohle, Erdöl und EUAs von 2030 bis 2060 basiert auf dem „Announced Pledges Scenario“ (APS) des World Energy Outlooks (WEO) 2022 der IEA (IEA, 2022) [1]. Nur die Emissionsreduktionen, zu denen sich die Regierungen in Form von „Pledges“ bereits verpflichtet haben, werden im APS realisiert.

Für Erdgas wird im „Central“-Szenario mittelfristig angenommen, dass sich der europäische Erdgaspreis am Weltmarktpreis für LNG orientiert. Als voraussichtlich wichtigste Importquelle für Europa kann dafür US-amerikanisches LNG als preissetzend angenommen werden. Der Exportpreis für US-LNG entspricht historisch dem amerikanischen Erdgas-Benchmark-Preis (Henry Hub). Außerdem gibt es einen Aufschlag für den Transport innerhalb der USA sowie eine Gebühr für die Verflüssigung von Erdgas, um es als LNG zu transportieren.

Um den Preis für US-LNG auf dem europäischen Markt zu bestimmen, ist es wichtig, die Kosten für Fracht und Regasifizierung in Europa zu berücksichtigen. Abbildung 3 zeigt die Zusammensetzung der Kostenkomponenten auf Basis der Henry Hub Price Forward Curve. Es zeigt auch die mittleren Annahmen zu den Kosten für Verflüssigung, Fracht und Regasifizierung. Der Erdgaspreis beträgt 22,60 EUR2021/MWh, wenn man Wechselkurse und Inflationsannahmen berücksichtigt. Dieser Preis wird im Szenario für die Jahre 2030 bis 2040 angenommen. Er entspricht fast dem Niveau, das der World Energy Outlook 2022 für den Erdgaspreis in Europa für 2030 prognostiziert.

 Kostenkomponenten am Weltmarkt LNG, Energy Brainpool

Abbildung 3: Kostenkomponenten am Weltmarkt LNG (Quellen: US Office of Fossil Energy and Carbon Management; IEA World Energy Outlook, 2022)

Langfristig wird Wasserstoff fossiles Erdgas in seinen Endanwendungen ersetzen. Konkret wird dieser durch Elektrolyse aus Strom produziert oder importiert. Wir nehmen an, dass diese Art von „grünem“ Wasserstoff auf dem Weltmarkt gehandelt wird und spätestens ab 2040 den „Clean Gas Price“ unterbietet. Der „Clean Gas Price“ setzt sich zusammen aus dem Preis für Erdgas plus dem EUA-Preis, multipliziert mit dem Erdgas-Emissionsfaktor von 0,2 tCO2/MWhth. Dies erhöht den Preisdruck auf Erdgas nach 2040. Erdgas wird langsam verdrängt

Dies führt zu den Commodity-Preispfaden, die in Abbildung 4 dargestellt sind. In diesem Szenario werden die Preise für Gas und Steinkohle bis 2030 kontinuierlich im Vergleich zum heutigen Niveau fallen. Bis 2060 verharrt der Kohlepreis   auf einem nahezu konstanten Niveau, während der Gaspreis nach 2040 stetig sinkt. In 2060 wird der Preis für CO2 fast 180 EUR/tCO2 erreichen.

 Commodity-Preise, Energy Brainpool

Abbildung 4: Commodity-Preise (Quellen: IEA World Energy Outlook, 2022, „Announced Pledges Scenario“; Energy Brainpool, 2023)

Wie sieht der europäische Kraftwerkspark der Zukunft aus?

In der Vergangenheit dominierten besonders fossile Erzeugungskapazitäten den Kraftwerkspark in Europa.  Viele der Kraftwerke auf dem Markt haben bereits ein hohes Alter erreicht und müssen bis zum Jahr 2050 ersetzt werden. Nur die Kraftwerke, die bereits im Bauprozess sind, sind davon ausgenommen

Gleichzeitig fließen auch die Ergebnisse der europäischen Klimapolitik in die Gestaltung des europäischen Kraftwerkparks ein. Fast alle EU-Staaten, in denen heute noch Strom aus Kohle erzeugt wird, haben beschlossen, den Kohleausstieg durchzuführen. So wollen sie negative Auswirkungen der hohen CO2-Emissionen begrenzen. Für die Zukunft stehen etablierte wie auch erprobte Technologien bereit: Gaskraftwerke, erneuerbare Energien und in einigen Märkten Kernkraftwerke.

Insbesondere Windkraft und Photovoltaik haben noch viel Wachstumspotenzial. Dank der stark gesunkenen Kosten sind diese Technologien heute wettbewerbsfähig. Die zunehmende Anzahl von PPA-basierten Projekten, insbesondere für Solaranlagen, zeigt dies deutlich. Das wird auch weiter forciert. Dadurch geraten die Erneuerbaren in den kommenden Jahrzehnten durch den Kannibalisierungseffekt der Anlagen untereinander zunehmend wirtschaftlich unter Druck.

Im „Central“-Szenario wird der Anteil der fluktuierenden erneuerbaren Energien (feE) bis 2050 auf etwa 77 Prozent der gesamten Angebotsleistung steigen (vgl. Abbildung 5). Zudem senkt ihre oft gleichzeitige Stromerzeugung den stündlichen Strompreis immer öfter und immer stärker. Alle erneuerbaren Technologien zusammen haben einen Anteil von 85 Prozent am Kraftwerkspark.

 installierte Erzeugungskapazitäten nach Energieträger in EU 27, zzgl. NO, CH und UK, Energy Brainpool

Abbildung 5: installierte Erzeugungskapazitäten nach Energieträger in EU 27, zzgl. NO, CH und UK (Quellen: Energy Brainpool, 2023; EU Reference Scenario, 2021; entso-e, 2022)

An steuerbaren, fossilen Erzeugungskapazitäten werden auf europäischer Ebene in Zukunft vor allem Gaskraftwerke zugebaut. Im Vergleich zu Kohlekraftwerken weisen sie geringere Emissionen auf. Letztere verlieren selbst mit Carbon Capture and Storage (CCS) weiter an Bedeutung. Anstelle von fossilem Erdgas können in modernen Gasturbinenkraftwerken, die H2-fähig sind, auch Wasserstoff und andere synthetische gasförmige Brennstoffe verbrannt werden. Durch diesen Wechsel gelten Gasturbinen und GuD-Kraftwerke langfristig nicht mehr als fossile Stromerzeuger, sondern werden zumindest in Teilen als „emissionsfreie“ Kraftwerke gerechnet. Daher ist davon auszugehen, dass Gaskraftwerke auch in Zukunft eine bedeutende Technologie bei der Stromerzeugung bleiben. Mit Gas- und Kernkraftwerken erhöht sich der Anteil der emissionsfreien Erzeugungskapazitäten in 2050 auf 99 Prozent.

Die Kapazitäten von Kohlekraftwerken verringern sich bis 2050um mehr als 81 Prozent und bis 2060 um mehr als 92 Prozent. Es wird erwartet, dass die installierte Leistung der Kernkraft bis zum Jahr 2050 um 19 Prozent abnimmt, nachdem die deutschen Kraftwerke abgeschaltet wurden.  Bis zum Jahr 2050 wird der Anteil der Erzeugungskapazität steuerbarer, thermischer Kraftwerke (inklusive Gas) von derzeit rund 40 Prozent auf etwa 15 Prozent gesenkt Dies hat einen erheblichen Einfluss auf die Struktur der Strompreise, die zunehmend durch feE geprägt sind.

Warum steigt die Stromnachfrage bis 2060?

Wie in Abbildung 6 dargestellt, steigt die Gesamtnachfrage nach Strom bis 2050 um etwa 64 Prozent und bis 2060 um circa 71 Prozent, ist. Der Strombedarf erhöht sich vor allem durch:

  • die nationalen Wasserstoffstrategien und die Ausweitung der Wasserstoffanwendungen (z. B. Verbreitung der Brennstoffzellentechnologie im Transportbereich und zunehmende Nutzung von Wasserstoff in der Stahlerzeugung und in der chemischen Industrie),
  • die vermehrte Elektrifizierung von diversen Energiedienstleistungen in den Haushalten (insbesondere durch die Verbreitung von Wärmepumpen und sonstigen elektrischen Wärmeanwendungen, um Warmwasser und Raumwärme bereit zu stellen),
  • sowie den Anstieg der Elektromobilität.
Bruttostromerzeugung und -nachfrage nach Energieträgern EU 27, zzgl. NO, CH und UK, Energy Brainpool

Abbildung 6: Bruttostromerzeugung und -nachfrage nach Energieträgern EU 27, zzgl. NO, CH und UK (Quellen: Energy Brainpool, 2023; EU Reference Scenario, 2021; entso-e, 2022)

Die Europäische Kommission plant, dass der Großteil des Wirtschaftswachstums im tertiären Sektor stattfindet, der ebenfalls mehr Strom benötigt. Eine höhere Effizienz kann verhindern, dass der Stromverbrauch im Industriesektor deutlich zunimmt.

Kohlekraftwerke produzieren immer weniger Strom – bis 2030 nimmt sie um rund 73 Prozent ab und bis 2050 um etwa 92 Prozent. Bis zum Jahr 2050 bleibt die Stromerzeugung aus Gaskraftwerken jedoch fast gleich.

Im Jahr 2050 werden erneuerbare Energien 76 Prozent an der Stromerzeugung ausmachen. Dabei machen Wind- und Solaranlagen mit rund 62 Prozent den größten Anteil aus. Erneuerbare Energien, die steuerbar sind, wie zum Beispiel Biomassekraftwerke oder Speicherseen, liefern die restlichen Strommenge.

Weitere 18 Prozent des erzeugten Stroms werden ebenfalls emissionsfrei produziert, entweder in Kernkraftwerken (11 Prozent) oder in Gaskraftwerken durch die Verbrennung von grünem Wasserstoff (7 Prozent). In 2050 wird der Anteil der emissionsfreien Erzeugung fast 94 Prozent betragen.

Entwicklung der durchschnittlichen Strompreise

Welche Faktoren wirken sich von 2030 bis 2050 auf die Entwicklung des Baseload-Preises aus, also des ungewichteten Durchschnittspreises für Strom am Day-Ahead-Spotmarkt über alle Stunden eines Jahres? Besonders wichtig dafür sind die Preise für Rohstoffe und CO2, der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Entwicklung der Stromnachfrage.

In den nächsten Jahren werden die Strompreise durch das anhaltende hohe Preisniveau an den Terminmärkten beeinflusst. Ab 2030 werden sich die Strompreise aufgrund der steigenden CO2-Preise und der zunehmenden, insbesondere flexiblen, Stromnachfrage erhöhen. Allerdings werden die immer höheren Einspeisungen aus Wind- und Photovoltaik-Kraftwerken diese Entwicklung dämpfen durch. Hierdurch gibt es zunehmend Stunden mit geringen Strompreisen und in Ländern mit Fördersystemen für erneuerbare Energien oder ausgeprägten „Must Run“-Kapazitäten häufig auch negative Preise. Im Ergebnis nehmen die realen Strompreise zwischen 2030 und 2060 nur leicht ab. Sie verzeichnen einen deutlichen Rückgang und einen anschließenden Anstieg ab etwa 2040.

Durch den verstärkten Zubau von Wind- und PV-Anlagen (PV) in vielen Ländern ist der Durchschnitt der Strompreise zwischen 2030 und 2050 leicht gesunken, im Vergleich zur letzten Ausgabe des EU Energy Outlooks vom November 2022

Es gibt große Abweichungen zwischen den europäischen Ländern. Dies zeigen die dargestellten Schwankungsbreiten in Abbildung 7. Länder mit einem geringen Ausbau erneuerbarer Energien verzeichnen einen stärkeren Anstieg der Strompreise aufgrund der Entwicklung der Commodity-Preise.

jährliche Baseload-Preise und Schwankungsbreite nationaler Einzelmärkte ausgewählter Staaten in Europa im Durchschnitt, Energy Brainpool

Abbildung 7: jährliche Baseload-Preise und Schwankungsbreite nationaler Einzelmärkte ausgewählter Staaten in Europa im Durchschnitt (Quelle: Energy Brainpool, 2023)

Betrachten wir die Strompreise auf monatlicher Basis, erkennen wir die Saisonalität und Volatilität des Strommarktes (siehe Abbildung 8). Für den Winter zeigen die Analysen steigende Preise, bedingt durch die Temperatursensitivität der Stromnachfrage. Demgegenüber sind im Sommer die Strompreise in der Regel erheblich niedriger. In Zukunft werden die saisonalen Preisunterschiede zunehmen, da der steigende Anteil der solaren Stromerzeugung diesen Effekt verstärkt.

monatliche Baseload-Preise im Durchschnitt, Energy Brainpool

Abbildung 8: monatliche Baseload-Preise im Durchschnitt (Quelle: Energy Brainpool, 2023)

Die Entwicklung der durchschnittlichen Strompreise in den verschiedenen Szenarien ist in der Abbildung 9 ersichtlich.

 Entwicklung der Strompreise in den jeweiligen Szenarien, Energy Brainpool

Abbildung 9: Entwicklung der Strompreise in den jeweiligen Szenarien (Quelle: Energy Brainpool, 2023)

Welche Erlöse können Windkraftanlagen erzielen?

Der durchschnittliche mengengewichtete Strompreis, den Wind- und PV-Anlagen im Laufe eines Jahres am Spotmarkt erzielen können, wird als Vermarktungswert bezeichnet. Bei der Berechnung werden nur Erzeugungsstunden mit nicht-negativen Strompreisen berücksichtigt (inklusive 0 EUR/MWh). Die Vermarktungsmenge gibt den Anteil der erzeugten Strommengen in diesen Stunden an der gesamten Erzeugungsmenge an. Das Produkt aus Vermarktungswert und Vermarktungsmenge ergibt den Capture-Preis. Im Gegensatz zum Vermarktungswert ist der Capture-Preis der durchschnittliche Jahreserlös am Strommarkt für die gesamte Erzeugungsmenge, also auch in Stunden mit negativen Strompreisen. Diese Kennzahlen ermöglichen es, die Erlöspotenziale von fluktuierenden, erneuerbaren Energien am Strommarkt realistisch einzuschätzen.[1]

Abbildung 10 zeigt, dass sowohl der Vermarktungswert als auch der Capture-Preis für Windanlagen ab dem Jahr 2030 leicht zurückgehen werden. Steigende Kapazitäten sind die Ursache. Der Grund dafür sind. Die parallele Erzeugung durch eine höhere Anzahl von Anlagen verringert die Strompreise in diesen Stunden (Kannibalisierungseffekt). Ab 2040 kommt es wieder zu einem moderaten Anstieg, bedingt durch die zunehmende flexible Stromnachfrage. Im EU-Durchschnitt gibt es fast gar keinen Rückgang bei den Vermarktungsmengen, jedoch gibt es in einigen Ländern wie Deutschland sehr deutliche Abnahmen.

Vermarktungswerte und Capture-Preise für Wind in ausgewählten EU-Staaten im Durchschnitt, Energy Brainpool

Abbildung 10: Vermarktungswerte und Capture-Preise für Wind in ausgewählten EU-Staaten im Durchschnitt (Quelle: Energy Brainpool, 202)3

Trotz des hohen Anteils von erneuerbaren Energien ermöglichen die vielen Stunden, in denen steuerbare, fossile Kraftwerke den Preis setzen, , positive Erlösströme. Die Schwankungsbreite der Märkte zeigt, wie unterschiedlich die landesspezifischen durchschnittlichen Erlösmöglichkeiten von Windenergieanlagen sind.

Welche Erlöse können Photovoltaik-Anlagen (Solar) erzielen?

Im Vergleich zu Wind wird der durchschnittliche Vermarktungswert und Capture-Preis von Photovoltaik-Anlagen ab 2040 stärker abfallen (vgl. Abbildung 11). Grund hierfür ist der deutliche Zubau von Photovoltaik-Kapazitäten, unter anderem in Deutschland, in Verbindung mit dem stark ausgeprägten Kannibalisierungseffekt bei PV. In Zeiten, in denen viel Solarstrom erzeugt wird, insbesondere während der Tagesstunden im Sommer, fallen die Strompreise und somit die Erlöse.

 Vermarktungswerte und Capture-Preise für Solar ausgewählter EU-Staaten im Durchschnitt, Energy Brainpool

Abbildung 11: Vermarktungswerte und Capture-Preise für Solar ausgewählter EU-Staaten im Durchschnitt (Quelle: Energy Brainpool, 2023

Auch bei PV bleiben die Vermarktungsmengen im EU-Durchschnitt fast gleich, aber in manchen Ländern gehen sie zeitweise deutlich zurück. Die große Schwankungsbreite der Solar-Vermarktungswerte in den Einzelstaaten zeigt, wie stark die Erlösmöglichkeiten variieren. Hier gilt es jedoch zu beachten, dass in einem sonnenreichen Land auch mit geringen Vermarktungswerten hohe Erlöse erzielt werden können. Dies ist auf die höhere Auslastung der Anlagen zurückzuführen.

Zunahme der Preisvolatilität im Detail

Im Szenario führen viele Faktoren zu einem deutlichen Anstieg der Preisvolatilität.  Abbildung 12 zeigt die Preisvolatilität mithilfe von Boxplots. Konkret beschreiben sie die jährlichen Baseload-Preise und die Quantile der Stundenpreise im jeweiligen Jahr.

Entwicklung der nachfragegewichteten Baseload-Preise und Quantile der Stundenpreise ausgewählter EU-Staaten, Energy Brainpool

Abbildung 12: Entwicklung der nachfragegewichteten Baseload-Preise und Quantile der Stundenpreise ausgewählter EU-Staaten (Quelle: Energy Brainpool, 2023)

Einerseits nehmen die Erzeugungskosten der steuerbaren, fossilen Kraftwerke aufgrund der steigenden Erdgas- und CO2-Preise zu. Andererseits hat der Ausbau fluktuierender, erneuerbarer Energien einen preissenkenden Effekt. Im Ergebnis treten extreme Preise häufiger auf und werden zu einem normalen Bestandteil der Strompreisstruktur des Day-Ahead-Marktes.

Das passende Seminar zum Thema finden Sie hier: Strommarktrisiken für Banken, Investoren und Versicherer am 16. und 17. Mai 2023

[1] Siehe auch White Paper „Bewertung der Strommarkterlöse von Anlagen fluktuierender erneuerbarer Energien“.

 

Autor:innen: Josephine Steppat, Alex Schmitt, Huangluolun Zhou

[1] EU, 2021: EU reference scenario 2020: Energy, transport and GHG emissions – trends to 2050 [online] https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/96c2ca82-e85e-11eb-93a8-01aa75ed71a1/language-en/format-PDF/source-219903975 [zuletzt abgerufen am 16.11.2022].

[2] IEA, 2022: World Energy Outlook [online] https://www.iea.org/reports/world-energy-outlook-2022  [zuletzt abgerufen am 16.11.2022].

[3] entso-e, 2022 [online] https://tyndp.entsoe.eu/ [zuletzt abgerufen am 16.11.2022].

[4] US Office of Fossil Energy and Carbon Management, 2022 [online] https://www.energy.gov/fecm/listings/lng-reports [zuletzt abgerufen am 16.11.2022].

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Energiemarkt-Rückblick April 2023

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Die Witterung im April 2023 war ungewöhnlich kalt und verregnet in Deutschland. Trotzdem war es kein besonders schlechter Monat für die erneuerbaren Energien. Besonders Wind an Land sorgte mit Einspeisungen bis zu 30 GW immer wieder für einen sehr hohen Anteil an erneuerbaren Strom im Netz. In Summe deckt die Windkraft an Land 22 % des gesamten Energiebedarfes im zurückliegenden Monat. Verglichen mit dem Vorjahr war der April (23 %) ähnlich windreich wie im Jahr 2022.

Die regenreichen Witterungsverhältnisse waren jedoch kein guter Einflussfaktor für die Erzeugung aus solarer Sonnenenergie. Diese lieferte mit 14 % etwas weniger als die Windkraft an Land. Biomasse, Braunkohle und Kernkraft haben hauptsächlich die Grundlast gedeckt. Nach dem Wegfall der Kernkraft Mitte April wurde dieser Anteil hauptsächlich von der Braunkohle aufgefangen. Insgesamt deckte die Braunkohleverstromung gut 21 % des deutschen Strommixes ab und liegt damit knapp hinter der Windkraft. Steinkohle und Erdgas trugen jeweils ungefähr zu 9 % und 8 % bei und liegen damit ungefähr gleich auf.

Abbildung 1: Einspeiseprofil Deutschland nach Energieträgern

Abbildung 1: Einspeiseprofil Deutschland nach Energieträgern (Quelle: Darstellung Energy Brainpool nach ENTSOE Transparency Platform)

EU bereitet Weg für strengeres ETS

Der EU-Rat hat die Reform für das EU-ETS im April 2024 förmlich angenommen. Damit bereitet er den Weg für einen ambitionierteren Klimaschutz bis über die Grenzen der EU hinaus. Doch wie genau soll das funktionieren? Hier ein kurzer Überblick:

Das EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS/ETS) stellt eines der wichtigsten Instrumente der EU im Kampf gegen den Klimawandel und zur Erreichung der Klimaneutralität 2050 dar. Es sorgt für die marktwirtschaftliche Bepreisung der Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) für ausgewählte Industrien, sodass Anreize zur Effizienzsteigerung und Investition in klimafreundliche Technologien geschaffen werden. Die Effektivität des EU-ETS stand dabei allerdings seit seiner Einführung immer wieder in der Kritik.

Besonders in der zweiten Handelsperiode bildeten sich enorme Überschüsse an Zertifikaten. Den vorläufigen Höchststand erreichte der Zertifikatsüberschuss 2013 mit über zwei Milliarden Zertifikaten. Die Folge war ein wenig ambitionierter und lenkungswirkender Zertifikatspreis. Daraufhin haben die Politiker das ETS weiter reformiert, um seine Effektivität und Resilienz zu stärken. Unter anderem wurden die umstrittenen Anrechnungen durch Certified Emission Reduction (CER) und Emission Reduction Units (ERU) wieder abgeschafft. Sie galten als eine der Ursachen für die hohen Überschüsse. Hier konnten Unternehmen sich bspw. finanzierte Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern im EU-Binnenmarkt anrechnen lassen und haben dafür Zertifikate erhalten. Auch erweiterte die EU das ETS um einen Marktstabilitätsmechanismus. Dieser soll die Anzahl der Zertifikate innerhalb eines Toleranzbereichs halten. Bei einer Über- oder Unterschreitung bestimmter Schwellwerte, schüttet dieser Mechanismus weitere Zertifikate aus oder behält sie ein. Hierdurch soll der Effekt von konjunkturellen Schwankungen wie beispielsweise einer Wirtschaftskrise auf die Zertifikatsnachfrage und damit den Preis abgefedert werden.

Nun hat das Europäische Parlament eine vorläufige politische Einigung über weitere Reformen des ETS errungen. Die Reformen sind Teil des „Fit for 55“- Pakets, dessen erklärtes Ziel das Absenken der THG-Emissionen der EU bis 2030 um 55 % im Vergleich zu 1990 ist.

Eine der weitreichendsten Änderungen des EU-ETS soll der sogenannte Grenzabgabemechanismus (CBAM) sein. Dieser soll verhindern, dass Unternehmen zu verminderten Umweltstandards im Ausland produzieren und ihre dort produzierten Güter in die EU importieren. Der Mechanismus sanktioniert hohe Emissionswerte von eingeführten Waren mit entsprechenden Einfuhrzöllen an den EU-Grenzen. Aktuell ist die schrittweise Einführung des CBAM ab 2026 geplant. Auch die umfassten Bereiche des ETS sollen um die Sektoren Gebäude und Verkehr (sowohl Straßenverkehr als auch Seefahrt) schrittweise erweitert werden. Des Weiteren haben die EU-Politiker die Obergrenzen des ETS so angepasst, dass die Emissionen der umfassten Bereiche um 62 % im Vergleich zu 2005 sinken.

Kritische Stimmen (besonders die der Umweltverbände) monieren schon jetzt, dass die jährliche Reduktion der Zertifikate nicht weit genug gehe, um das 1,5-Grad-Ziel erreichen zu können. Andere befürchten, dass der internationale Markt den Grenzabgabemechanismus als protektionistisch bewerten könnte und Handelskonflikte induzieren wird. Trotz aller Kritik ist die Reform ein großer Schritt in Richtung Klimaneutralität.

Quelle: Veröffentlichungen: Europäischer Rat

Ende der Kernenergie in Deutschland

Es ist vollbracht. In der Nacht vom 15. auf den 16. April gingen die letzten drei deutschen Kernkraftwerke vom Netz. Begleitet wurde das Ganze von hitzigen Debatten mit alten Argumenten. Von Versorgungssicherheit bis Klimaschutz haben die Marktteilnehmer altbekannte Argumente wieder aufgerollt. Doch was ist dran?

Als Folge der Nuklearkatastrophe von Fukushima hat die deutsche Bundesregierung im Jahr 2011 endgültig den Ausstieg aus der nuklearen Stromerzeugung eingeleitet. Dieser sollte bis Ende 2022 mit dem Abschalten von Isar II, Emsland und Neckarwestheim 2 vollzogen sein. Der Ausstieg wurde jedoch aufgrund der Turbulenzen auf den internationalen Energiemärkten in Folge des Ukraine-Russland-Konflikts aufgeschoben. Ziel war es, die Versorgungssicherheit auf dem deutschen Strommarkt unter allen Umständen aufrechtzuerhalten und den Markt zu beruhigen. In der Nacht vom 15. auf den 16. April 2023 war jedoch nun endgültig Schluss und die letzten drei Meiler gingen vom Netz.

Durch die schrittweise Stilllegung der Kernkraftwerke seit 2011 hat sich auch ihr Anteil am deutschen Strommix verringert. Die entstandene Lücke wurde durch die übrigen Energieträger sukzessive kompensiert. In den frühen 2000er-Jahren lag der nukleare Anteil an der Bruttostromproduktion noch bei gut 30 %. Dieser wurde bereits 2008 von 28 % auf 16 % im Jahr 2012 deutlich heruntergefahren.

Nach einer kurzen Phase der Stagnation 2013 und 2014 nahm der Ausstieg dann wieder an Fahrt auf. Besonders groß war der Rückgang zwischen den Jahren 2021 und 2022. Innerhalb dieser Jahre hat sich der Anteil von insgesamt rund 12 Prozent auf etwa 6 Prozent an der gesamten Erzeugung halbiert. Grund dafür war, dass mit den Abschaltungen der Kernkraftwerke Grohnde, Brokdorf und Gundremmingen C, auch rund 30 TWh an jährlicher Erzeugung vom Netz gingen. Die verbliebenen drei Kraftwerke speisten in das Netz dann nur noch mit 34 TWh aus nuklearer Erzeugung. Seit Mitte April 2023 ist die Erzeugung komplett heruntergefahren.

Betrachtet man den übrigen Strommix vor diesem Hintergrund, so können einige Zusammenhänge hergestellt werden. Die fehlenden 50 TWh aus der nuklearen Energieerzeugung zwischen 2008 und 2012 wurden durch eine leicht gesteigerte Braunkohleverstromung, aber besonders durch einen deutlich gesteigerten Teil erneuerbare Energien kompensiert.

Der erneuerbare Anteil an der Bruttostromerzeugung stieg in diesem Zeitraum von 14 auf knapp 23 % und kompensierte die fehlende Energiemenge fast im Alleingang. Auch in den  darauffolgenden Jahren zeigte sich ein ähnliches Bild. Der massive Ausbau der Erneuerbaren hat die fehlenden Energiemengen aus der Kernenergie ersetzt. Diese drängten sogar die Kohle insoweit aus dem Markt, dass der Anteil der Kohleerzeugung von 44 % im Jahr 2012 auf 24 % im Jahr 2020 fiel. Lediglich die Krisenjahre 2020 bis 2022 brachten der Kohle eine erneute kleinere Renaissance ein und ließen den Anteil wieder stark auf 31 % steigen. Der erneuerbare Anteil stieg in dieser Zeit kontinuierlich an und machte 2022 mit 44 % den Großteil des deutschen Strommix aus.

Herunterfahren der Kernkraftwerke am 15. April 2023

Doch wie sah die Nacht vom 15.04. nun ganz konkret aus? Welche Kraftwerke haben da die abgeschalteten Kernkraftwerke ersetzt? Und was macht eigentlich der Spotpreis seit dem Abschalten?

In der unterstehenden Abbildung 1 ist das Einspeiseprofil für April 2023 dargestellt. Die Nukleareinspeisung (in der Abbildung gelb) geht gegen Mittag des Monats gegen null. In der darauffolgenden Woche lässt sich gut erkennen, dass in der kurzen Frist diese Lücke in der Stromerzeugung durch Hochfahren der Kohlekraftwerke (insb. Braunkohle) geschlossen worden ist.

Vergleicht man nun die Wochen vor und nach dem Herunterfahren der Kernkraftwerke, so wird deutlich, dass die fehlenden 5,6 % aus nuklearer Erzeugung durch 1,2 % mehr Braunkohle, 3,5 % mehr Steinkohle, sowie rund 1 % mehr Gasverstromung kompensiert wurde. Kurzfristig sind also die thermischen Kraftwerke eingesprungen und haben die Kernkraft ersetzt. Mit Blick auf den Spotmarkt kann man auch hier unschwer erkennen, dass die Preise stabil blieben.

In Abbildung 2 sind die Spotmarktpreise eine Woche vor und nach Abschalten der Kernkraftwerke abgebildet. Die grüne Linie markiert hier ungefähr den 15. April 2023. Vergleicht man nun die Woche vor mit der Woche nach dem Abschalten, sind keine signifikanten Veränderungen zu bemerken. Sowohl das gesamte Preisniveau, als auch die Volatilität der Preise ähneln einander sehr. Dies legt nahe, dass bestimmendere Determinanten auf den Spotpreis wirken, als die verfügbare Menge an Atomstrom.

Abbildung 2: Spotpreise für April 2023 (Quelle: Energy Brainpool)

Abbildung 2: Spotpreise für April 2023

Quellen: EnergyCharts, ENTSOE Transparency Platform

EU beschließt gemeinsamen Gaseinkauf

Bereits im Jahr 2022 hat die EU eine Plattform für den gemeinsamen EU-weiten Gaseinkauf implementiert. Dieser ging nun am 25. April in die nächste Phase über und hat die ersten Gebote angenommen.

Die EU ist weltweit der größte Gasimporteur und hat sich damit bei seiner Energieversorgung von Dritten in große Abhängigkeit begeben. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine im Jahre 2022 hat dies schmerzlich verdeutlicht. Durch die verhängten wirtschaftlichen Sanktionen und einer Vielzahl von Zerwürfnissen gerieten insbesondere die Gasmärkte in eine Extrempreisphase. Um trotzdem die Versorgung mit Gas in den Wintermonaten unter allen Umständen aufrechtzuerhalten und die Gasspeicher ausreichend gefüllt zu halten, mussten Teile der Gasmengen kurzfristig zu sehr hohen Preisen beschafft werden. Diese erhöhten Beschaffungspreise belasteten einige Energieversorger schwer und mussten diese auch an die Verbraucher bei ihren Heizkosten durchgegeben.

Doch nicht nur beim Heizen machten sich die erhöhten Kosten bemerkbar. Auch die Strommärkte bemerkten die steigenden Gaspreise deutlich. Diesen Effekt beschreibt die Merit-Order. Die Abfolge der stromproduzierenden Kraftwerke wird nach steigenden Grenzkosten angeordnet. Der Preis auf dem Strommarkt wird dann von dem letzten Kraftwerk bestimmt, das zur Deckung der Nachfrage notwendig ist. Gas-Kraftwerke kommen durch ihre gute Regelbarkeit oft in Spitzenzeiten zum Zuge und bestimmen dann den Börsenpreis. So schlugen sich die hohen Gaspreise auch auf den Strommarkt nieder. Die Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe gaben diese gestiegenen Energiekosten durch erhöhte Preise an die Endkunden weiter. Die Folge waren hohe Inflationsraten und starke Reallohnverluste für breite Teile der Bevölkerung, die durch die Politik abgefedert werden mussten. (Siehe auch: Energy Brainpool: Krieg, Gasknappheit und Extrempreise)

Nachdem der Import von russischem Gas, welches den größten Teil der importierten Mengen ausgemacht hatte, völlig zum Erliegen gekommen war, begann die Suche nach alternativen Handelspartnern auf den internationalen Märkten. Die EU hat für diesen Zweck eine gemeinsame Plattform ins Leben gerufen, um den Einkauf von Gas gebündelt zu koordinieren.

Ziel ist es, dass die EU-Staaten sich durch ein gemeinsames Auftreten nicht gegenseitig überbieten und ihr kollektives marktwirtschaftliches Gewicht nutzen, um so eine beiderseitig vorteilhafte Partnerschaft mit zuverlässigen Lieferanten anzustreben. Aktuell ist vorgesehen, dass Firmen und Länder aus der EU auf dieser Plattform ihre benötigten Gasmengen anfordern, um diese dann gebündelt auf dem globalen Markt zu beschaffen. Zur Erfüllung der Nachfrage können potenzielle Anbieter (mit Ausnahme von Russland) auf dieser Plattform ihre Angebote einstellen. So wird ein höheres Maß an Transparenz gewährleistet. Am 25. April 2023 war nun der Startschuss für diese Plattform und es wurden erste Nachfragegesuche für die kommende Wintersaison angenommen. Dies stellt einen wichtigen Meilenstein zur Schaffung eines transparenten, wettbewerbsfähigen und integrierten EU-Energiebinnenmarkts dar. Perspektivisch kann über diese Plattform auch der Wasserstoffhandel abgebildet werden.

Quelle: Europäische Kommission, Montel

Sind die Gaspreise wieder auf dem Vorkriegsniveau?

Die Gaspreise auf dem Großmarkt schossen in Folge des Russland-Ukraine-Konflikts in ganz neue Größenordnungen (siehe auch: Energy Brainpool: Krieg, Gasknappheit und Extrempreise). Die Furcht vor Knappheit heizte die Marktstimmung immer weiter an. Musste sich ein Marktakteur day-ahead mit Gas eindecken, so konnte es sein, dass er horrende Preise größer 250 EUR/MWh während der Speicherfüllsaison zahlen musste. Mittlerweile hat sich der Spotmarkt wieder deutlich beruhigt. Doch wie blickt der Markt in die Zukunft? Was hat sich geändert?

Um zu bewerten, wie der Markt in die Zukunft blickt, nutzen wir hier die Price-Forward-Curve (PFC). Diese zeigt den Verlauf der Spotmarktpreise in der Vergangenheit und zieht die Preis-Kurve auf Basis der Futurepreise nach Fälligkeit weiter in die Zukunft. Dies geschieht anhand von aktuell gehandelten Monats-, Quartals- und Jahreskontrakten. Vergleicht man nun die PFCs miteinander, so kann man daraus lesen wie sich die grundsätzliche Stimmung auf dem Gasmarkt entwickelt hat. Die Spotmarktkurve zeigt, dass bereits 2021 sowohl die Volatilität stieg als auch die Preise auf ein höheres Niveau kletterten.

Dieser Trend verstärkte sich nach dem Februar 2022 erneut enorm, flachte dann aber bald wieder ab, um dann kurz vor der Heizsaison wieder enorm an Fahrt aufzunehmen. Inzwischen hat sich der Spotmarkt wieder beruhigt und wir befinden uns auf einem ähnlichen Niveau wie vor dem Krieg. Für das Jahr 2024, lagen die Prognosen vom Februar 2022 bei 34 EUR die Megawattstunde. Diese Prognose hat sich inzwischen deutlich erhöht und bei einem Niveau von 54 bis 58 EUR die Megawattstunde eingependelt.

Auch in 2025 und 2026 zeigt sich ein ähnliches Bild. Sahen die Prognosen im Februar 2022 noch Preise von 27 EUR (2025) und 24 EUR (2026), liegen diese in den aktuellen Prognosen mit 50 EUR (2025) und 39 EUR (2026) deutlich drüber. Zusammenfassend kann man sagen, dass der erste Schock durch die Lieferstopps und die politischen Zerwürfnisse zwar überwunden ist, die Märkte jedoch ein deutlich höheres Preisniveau für die Zukunft sehen als noch vor dem Krieg. Die Nachhaltigkeit dieser Entwicklungen bleibt abzuwarten. Es ist jedoch zu erwarten, dass der Gaspreis nie wieder so günstig sein wird wie vor dem Februar 2022.

Abbildung 3: Price-Forward-Curve 01.02.2022 (Quelle: Montel)

Abbildung 3: Price-Forward-Curve 01.02.2022 (Quelle: Montel)

 

Abbildung 4: Price-Forward-Curve 03.05.2023 (Quelle: Darstellung Energy Brainpool)

Abbildung 4: Price-Forward-Curve 03.05.2023 (Quelle: Darstellung Energy Brainpool)

Sie wollen den Strommarkt verstehen und sind eher noch Anfänger oder Anfängerin in der Branche? Dann empfehlen wir unser Live-Online-Training: https://www.energybrainpool.com/de/veranstaltung/starterkit-stromwirtschaft-juni am 13. und 14. Juni

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Energiemarkt-Rückblick Mai 2023

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Deutschland verzeichnet im Mai eine hohe Einspeisung aus erneuerbaren Energien. Gas verdrängt Kohle zunehmend aus dem Strommix. Grund dafür sind vor allem die Preisentwicklungen an den Kurzfristmärkten. An den Terminmärkten ist eine anhaltende Abwärtsbewegung erkennbar. Alle Hintergründe erörtern wir im folgenden Blogbeitrag.

Industriestrompreis-Konzept – was steht drin und was nicht?

Der Bundeswirtschaftsminister hat am 5. Mai 2023 ein Industriestrompreis-Konzept vorgelegt. Dieses soll wettbewerbsfähige Strompreise für ausgewählte energieintensive Industrien nach Auslaufen der Strompreisbremse am 30. Juni 2024 gewährleisten. Das Konzept beinhaltet einen Zwei-Stufen-Plan und staatliche Subventionen in Milliardenhöhe.

In der ersten Stufe soll ein „Brückenstrompreis“ in Höhe von 6 Cent pro Kilowattstunde festgelegt werden. Dieser soll für 80 Prozent des Stromverbrauchs der entsprechenden Unternehmen gelten. Die erste Phase ist bis zum Jahr 2030.

Langfristig ist in der zweiten Stufe ein „Transformationsstrompreis“ geplant, über den energieintensive Unternehmen direkt von günstigem Strom aus erneuerbaren Energiequellen profitieren können. Dies soll über Differenzverträge („Contracts for Difference“, CfDs) und geförderte Industrie-PPAs erreicht werden. Zusätzlich sind weitere Maßnahmen zur Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien und zur Senkung der Stromgestehungskosten geplant. Da die Umsetzung der Vorhaben Zeit benötigt, ist der Beginn dieser Phase erst auf 2030 datiert. (Quelle: BMWK).

Während Industrievertreter das Konzept als „wichtiges Signal“ loben, gibt es auch kritische Stimmen. Die BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae warnt etwa vor einem möglichen Eingriff in die Preisbildung und damit einhergehende Preisverzerrungen. Es müsse genau geprüft werden, ob die geplanten Maßnahmen hinreichend seien, um Marktverzerrungen zu vermeiden (Quelle: Montel). Außerdem beschneide das Konzept laut Andreae die Attraktivität von langfristigen Strombezugsverträgen (PPA). Durch den geplanten Strompreisdeckel entfalle die Notwendigkeit, langfristige Verträge abzuschließen.

Zudem lässt das vorgelegte Konzept einige Fragen unbeantwortet. Der BDEW geht davon aus, dass sich der Strompreisdeckel auf den Day-Ahead-Markt bezieht. In dem Konzept ist dies jedoch nicht näher ausgeführt. Offen bleibt auch, wie die anfallenden Kosten gedeckt werden. Diese werden laut Habeck bei zwei bis sechs Milliarden Euro pro Jahr liegen. Der Bundeswirtschaftsminister favorisiert eine Finanzierung über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (Quelle: Montel).

Grüner Wasserstoff – bringt ein neuer Index mehr Preistransparenz?

Grüner Wasserstoff wird aufgrund der breiten Anwendungsbereiche und der flexiblen Nutzbarkeit eine bedeutende Rolle auf dem Weg zur Klimaneutralität einnehmen. Ein grundlegender Baustein für einen Markthochlauf ist ein hoher Grad an Preistransparenz. Da es für Wasserstoff bisher keinen bilanziellen Handel gibt, sind die verfügbaren Preissignale sehr eingeschränkt. Das könnte sich ab sofort jedoch ändern (siehe auch: Neues White Paper: Wie Wasserstoff hilft, die europäische Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen).

Die Leipziger Energiebörse EEX hat bekannt gegeben, fortan jeden Mittwoch um 16 Uhr einen Wasserstoff-Index mit dem Namen Hydrix zu veröffentlichen. Dieser soll auf der Transparenzplattform der EEX zur Verfügung gestellt werden (Quelle: Montel). Der neue Index soll Transparenz über tatsächlich gehandelte Preise für grünen Wasserstoff schaffen. Die Berechnung des Index erfolgt auf Grundlage von Angebots- und Nachfragepreisen, die von Partnern aus der Industrie und der Energiewirtschaft zur Verfügung gestellt werden.

Mit dem ersten marktbasierten Index für grünen Wasserstoff wird eine wichtige Lücke geschlossen. Der Index kann etwa als Kriterium für Investitionsentscheidungen genutzt werden und fördert somit die Investitionen in Technologien zur Nutzung und Erzeugung von grünem Wasserstoff (Quelle: EEX).

EEX Green Weekly, Energiemarkt-Rückblick Mai 2023, Energy Brainpool

Abbildung 1: EEX Green Weekly HYDRIX DE (Quelle: EEX)

Abbildung 1 zeigt die Entwicklung des Index in den Kalenderwochen 18 bis 21. In den ersten vier veröffentlichten Wochen bewegt sich der Hydrix auf einem konstanten Niveau und lag zuletzt bei 228,16 Euro pro Megawattstunde.

Von politischer Seite wurde im Mai die aktuelle Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) beschlossen. Die Novelle zielt auf die Genehmigung eines Wasserstoff-Kernnetzes durch die Bundesnetzagentur ab. Die Fernleitungsnetzbetreiber sollen in den kommenden Monaten das Kernnetz modellieren. Darauf folgt eine Konsultation mit der Öffentlichkeit, den Bundesländern und mit Marktteilnehmern. Daran anschließend arbeiten die Beteiligten die Rahmenbedingungen des Kernnetzes final aus. Am Ende der Kette steht dann die Bundesnetzagentur, die alles genehmigt. Ziel ist es, bis Ende dieses Jahres eine Wasserstoff-Netzplanung im EnWG festzulegen. Das Kernnetz soll zunächst die Nachfragezentren energieintensiver Industrien anbinden (Quelle: Montel). Mit der Novelle setzt auch die Politik einen Grundstein für den Markthochlauf von Wasserstoff.

Nach Deutschlands Ausstieg – Frankreich erleichtert Bau von Kernreaktoren

Im April hat Deutschland endgültig den Atomausstieg umgesetzt. Am 15. April hat Deutschland die letzten drei Kernkraftwerke vom Netz genommen. Seitdem kommt der deutsche Strommix ohne deren Einspeisung aus. Dieser Weg wird jedoch nicht von allen europäischen Ländern mitgetragen. Neuigkeiten zu diesem Thema gab es im Mai aus Frankreich.

Im Mai beschloss das französische Parlament ein Gesetz, das die Nutzung von Kernkraftwerken weiter fördern soll. Frankreich setzt bekanntermaßen stark auf die Nutzung von Kernkraftwerken. Der Gesetzgeber ebnet diesen Weg weiterhin.

Konkret soll der schnellere Zubau von Kernreaktoren durch einen Abbau von Bürokratie ermöglicht werden. Fortan darf mit dem Bau nicht nuklearer Bestandteile bereits begonnen werden, bevor eine Gesamtgenehmigung durch die Atomaufsichtsbehörde ASN erteilt wurde. Auch der Genehmigungsprozess soll vereinfacht werden.

Zudem entfällt die bisher geltende Regelung den Anteil der Kernenergie am Strommix Frankreichs bis 2035 auf 50 Prozent zu reduzieren. Aktuell liegt der Anteil bei etwa 70 Prozent. Auch die aktuelle Kapazitätsgrenze von 62,3 Gigawatt wird aufgehoben (Quelle: Montel).

Viel Sonne und weniger Kohle – so sah das Einspeiseprofil im Mai aus

Der Monat Mai zeigte eine hohe Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien. Außerdem wurde Kohle aufgrund von niedrigen Gaspreisen teilweise aus dem Strommix verdrängt. Wir sprechen von dem sogenannten „Fuel Switch“.

Stromerzeugung und Verbrauch in Deutschland im Mai 2023, Energiemarkt-Rückblick, Energy Brainpool

Abbildung 2: Stromerzeugung und Verbrauch in Deutschland im Mai 2023 (Quelle: energy-charts)

Abbildung 2 zeigt die Stromerzeugung und den Verbrauch in Deutschland im Mai 2023. Der Monat Mai war überdurchschnittlich sonnenreich. Mit 244 Sonnenstunden überstieg die Sonnenscheindauer das langjährige Mittel von 1990 bis 2020 um etwa 15 Prozent (Quelle: DWD). Die Folge war eine starke Einspeisung aus Solarenergie. Insgesamt lag der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung im Mai bei 69 Prozent. Gegenüber dem April 2023 ist das eine Steigerung um etwa 10 Prozent. Im Mai des Vorjahres (2022) lag der Anteil der erneuerbaren an der Stromerzeugung bei lediglich 55,2 Prozent.

Neben der starken Einspeisung der erneuerbaren Energien lohnt sich auch der Blick auf die Energieträger Erdgas und Steinkohle. Die anhaltend niedrigen Erdgaspreise am Kurzfristmarkt sorgen für eine zeitweise günstigere Stromerzeugung aus Erdgas gegenüber der Verstromung von Kohle. Dadurch wird Kohle vermehrt aus dem Strommix verdrängt (Quelle: Montel).

Öffentliche Nettostromerzeugung in Deutschland durch Erdgas (orange) und Steinkohle (schwarz) in MW, Energy Brainpool

Abbildung 3: Öffentliche Nettostromerzeugung in Deutschland durch Erdgas (orange) und Steinkohle (schwarz) in MW (Quelle: energy-charts)

Abbildung 3 stellt die Stromeinspeisung aus Erdgas (orange) der Stromerzeugung aus Steinkohle (schwarz) gegenüber. Insbesondere in der zweiten Monatshälfte ist eine geringere Stromerzeugung aus Steinkohle erkennbar. Betrachtet man hingegen die Einspeisung aus Erdgasverstromung, sind zeitweise sehr hohe Werte sichtbar.

Anhaltender Abwärtstrend an den Terminmärkten – was waren die Gründe?

Der deutsche Frontjahreskontrakt für Strom (Cal 24) befand sich im Mai in einem anhaltenden Abwärtstrend. Er notierte zuletzt bei 122 Euro pro Megawattstunde. Damit sank der Kontrakt im Laufe des Monats Mai um 18 Prozent und erreichte den Tiefststand seit dem 21. Januar 2022 (Quelle: Montel). Die Entwicklung des Cal 24 ist auf eine Überversorgung der Kohle-, Gas- und Strommärkte zurückzuführen.

prozentuale Preisentwicklung des deutschen Stromfrontjahres (candle sticks), der CO2-Zertifikate mit Lieferung Dezember 2023 (orange Linie), des Frontjahres Gas am TTF (gelbe Linie) und des Frontjahrs Kohle (rote Linie) (Quelle: Montel)

Abbildung 4: prozentuale Preisentwicklung des deutschen Stromfrontjahres (candle sticks), der CO2-Zertifikate mit Lieferung Dezember 2023 (orange Linie), des Frontjahres Gas am TTF (gelbe Linie) und des Frontjahrs Kohle (rote Linie) (Quelle: Montel)

Abbildung 4 zeigt die Preisentwicklungen des deutschen Stromfrontjahres (candle sticks), der CO2-Zertifikate mit Lieferung Dezember 2023 (orange Linie), des Frontjahres Gas am TTF (gelbe Linie) und des Frontjahrs Kohle (rote Linie).

Hohe Kohlebestände und gut gefüllte Gasspeicher führten dazu, dass die Märkte unter Druck gerieten. Das Frontjahr für Kohle ist im Mai um 32 Prozent gesunken, das TTF-Frontjahr für Gas notiert um 24 Prozentpunkte niedriger. Dieser Trend war ausschlaggebend für die Abwärtsbewegung des Stromfrontjahres.

Am Mittwoch, den 31. Mai sind die Gas- und Strommärkte kurzzeitig gestiegen, nachdem ein Gasleck am LNG-Terminal Hammerfest in Norwegen bekannt wurde. Nach der Reparatur des Gaslecks gaben die Gasmärkte jedoch wieder kräftig nach.

Auch der EUA-Leitkontrakt Dezember 23 fiel in der zweiten Monatshälfte. Der Verlust im Mai betrug 7 Prozent. Zu den Faktoren für diese Entwicklung zählen das milde Wetter und die hohe Erzeugung aus erneuerbaren Energien. Gleichzeitig führen die stark fallenden Gaspreise zu einem Fuel Switch. In der Stromerzeugung wird Kohle durch das günstigere Gas ersetzt. Das wiederum verringert die EUA-Nachfrage (Quelle: Montel).

Sie sind Quer-/Neueinsteiger:in in der Stromwirtschaft und wollen den Strommarkt verstehen? Dann empfehlen wir unser Live-Online-Training am 30. & 31. August 2023: https://www.energybrainpool.com/veranstaltung/starterkit-stromwirtschaft-august

Und was ist noch gleich im April 2023 auf dem Energiemarkt passiert? Hier geht es zum vorherigen Blogbeitrag.

Weitere Quellen:

Wettbewerbsfähige Strompreise für die energieintensiven Unternehmen in Deutschland und Europa sicherstellen (bmwk.de)

BDEW warnt vor Eingriff in Preisbildung durch Industriestrom (montelnews.com)

Industriestrompreis schwächt PPA-Markt – Andreae (montelnews.com)

EEX startet Index für grünen Wasserstoff (montelnews.com)

EEX Press Release – Transparenz im Wasserstoffmarkt mit dem HYDRIX: EEX veröffentlicht ersten marktbasierten Wasserstoff-Index

Hydrix Germany (eex-transparency.com)

Kabinett gibt Startschuss für Wasserstoff-Kernnetz – BMWK (montelnews.com)

Frankreichs Parlament stimmt für mehr Kernkraft (montelnews.com)

Stromproduktion | Energy-Charts

Wetter und Klima – Deutscher Wetterdienst – Presse – Deutschlandwetter im Mai 2023 (dwd.de)

Carbon- EUAs see 2% weekly drop amid pressure from gas (montelnews.com)

GERMAN – Cal 24 hits fresh 16-month low on weak gas, CO2 (montelnews.com)

CO2: EUA fallen mit schwachen Fundamentaldaten um 8 % (montelnews.com)

 

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Energiemarkt-Rückblick Juli 2023

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Deutschland verzeichnete im Juli 2023 eine hohe Einspeisung aus erneuerbaren Energien. Die Einspeisung aus Wind- und Sonnenenergie sowie hohe Exporte sorgen für historisch niedrige Verstromung von fossilen Energieträgern. Alle Hintergründe werden im folgenden Blogbeitrag erörtert.

Militärputsch in Niger – sind die Uranlieferungen in Gefahr?

Am 26. Juli 2023 kam es zu einem Militärputsch in dem westafrikanischen Land Niger. Der demokratisch gewählte Präsident Mohamed Bazoum wurde von der Präsidentengarde festgesetzt. Oberst Amadou Abdramane gab die Auflösung der Institutionen der Republik sowie die Schließung der Luft- und Landesgrenzen bekannt (Quelle: Spiegel).

Der Militärputsch könnte auch für die europäischen Energiemärkte weitreichende Folgen haben. Niger ist ein bedeutender Uranlieferant für die EU. Im Jahr 2022 stammten etwa ein Viertel des in die EU importierten Urans aus Niger. Die Kernkraftwerke in Europa sind also auf das Material aus dem afrikanischen Land angewiesen. Insbesondere Frankreich dürfte betroffen sein. Der staatliche französische Atomkonzern Orano betreibt drei große Bergwerke in Niger. Durch den Putsch werden die Lieferungen vorerst gekappt (Quelle. WiWo).

Obwohl die EU-Atomwirtschaft noch ausreichend Uran für die nächsten drei Jahre gelagert hat, könnte sich der Putsch auf die europäische Stromversorgung auswirken. Der Putsch stellt eine zusätzliche Belastung für die Atomwirtschaft dar, neben den ohnehin schon vorliegenden Herausforderungen um Wartungsrückstände und Korrosionsprobleme. Der Zeitpunkt ist damit zumindest ungelegen, vor dem Hintergrund, dass der Energiesektor der Europäischen Union derzeit auch versucht, sich von russischen Lieferungen unabhängig zu machen (Quelle: WiWo).

Steigende Zinsen und erhöhte Kosten gefährden den Ausbau von Windenergieanlagen

Steigende Kosten und Zinsen wirken sich zunehmend auf die Investitionen in erneuerbare Energien aus. Insbesondere Windkraft-Projekte sind betroffen. Im Juli 2023 hat etwa Vattenfall bekannt gegeben, dass das Offshore-Windkraftprojekt Norfolk Boreas auf Grund von gestiegenen Kosten gestoppt werden soll. (Quelle: Vattenfall)

Geplant war die Errichtung eines Windparks mit einer Gesamtleistung von 1,4 Gigawatt in Norfolk vor der Küste Großbritanniens. Der Windpark wäre in der Lage gewesen 1,5 Millionen Haushalte mit Strom zu beliefern. Die Kostensteigerungen lagen laut dem Vorstand von Vattenfall bei 40 %. Die Entwicklungen haben das Unternehmen dazu veranlasst, Wertminderungen auf das Windkraftgeschäft in Norfolk vorzunehmen. Dadurch werde der Gewinn mit 5,5 Milliarden Schwedischen Kronen belastet (Quelle:  WiWo).

Vattenfall betreibt neben Norfolk Boreas noch zwei weitere Windkraft-Projekte in der Norfolk-Zone. Die Projekte Vanguard East und Vanguard West sollen gemeinsam 2,8 Gigawatt Leistung bereitstellen. Für diese Projekte werde laut Vattenfall Chefin Anna Borg das weitere Vorgehen aktuell geprüft. „Höhere Inflation und Kapitalkosten wirken sich auf den gesamten Energiesektor aus, aber die geopolitische Situation hat die Offshore-Windenergie und ihre Lieferkette besonders anfällig gemacht“, sagte Vattenfall-Chefin Anna Borg (Quelle:  WiWo).

Fernleitungsnetzbetreiber veröffentlichen Entwurf eines Wasserstoff-Kernnetzes

Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, schnell und kosteneffizient ein Wasserstoffnetz in Deutschland aufzubauen. Das Netz soll gemeinsam mit dem Wasserstoffmarkt wachsen. Die Vereinigung der Gas-Fernleitungsbetreiber hat im Juli einen ersten Entwurf für ein Wasserstoffkernnetz vorgelegt. Im nächsten Schritt haben Marktteilnehmende nun die Möglichkeit Rückmeldungen zu dem Entwurf zu geben, die dann in den Optimierungsprozess einfließen (Quelle: Montel).

aktueller Planungsstand des Wasserstoff-Kernnetzes

Abbildung 1: aktueller Planungsstand des Wasserstoff-Kernnetzes (Quelle: FNB Gas)

Der Entwurf des Wasserstoffnetzes, der in Abbildung 1 dargestellt ist, sieht die Anbindung von 309 Wasserstoffprojekten im Jahr 2032 vor. Die Länge des Netzes liegt bei etwa 11.200 Kilometern. Es sollen zunächst verbrauchsstarke Industriestandorte angebunden werden. Dabei geht es im ersten Schritt nur darum, große Mengen Wasserstoff im Land verteilen zu können. Es handelt sich nicht um ein flächendeckendes Netz. Vor allem sollen lange Verbindungen von Norden nach Süden und von Osten nach Westen Teil des Netzes werden (Quelle: WiWo)

Bei der konkreten Ausgestaltung des Netzentwurfs wurde darauf geachtet, möglichst große Teile des bestehenden Erdgasnetzes auf die Nutzung durch Wasserstoff umzustellen. Darüber hinaus soll der Neubau von Leitungsabschnitten möglichst gering gehalten werden. Das mindert den Aufwand und die Kosten, die für die Bereitstellung des Wasserstoff-Kernnetzes anfallen. Insgesamt liegt das geschätzte Investitionsvolumen im unteren zweistelligen Milliardenbereich (Quelle: WiWo).

Viel Wind im Juli 2023 – was bedeutet das für die Stromerzeugung?

Die erste Hälfte des Julis brachte Hitze und viel Sonne. In der zweiten Monatshälfte kam es zu häufigeren Niederschlägen und stürmischen Winden. Insgesamt lag die Anzahl der Sonnenstunden mit 230 etwa im Durchschnitt des langjährigen Mittels der Jahre 1991 bis 2020. Die Niederschläge fielen im Vergleich zu derselben Vergleichsperiode rund 15 % stärker aus (Quelle: DWD).

Stromerzeugung und Verbrauch in Deutschland im Juli 2023

Abbildung 2: Stromerzeugung und Verbrauch in Deutschland im Juli 2023 (Quelle: Energy-Charts)

Abbildung 2 stellt das Einspeiseprofil des Monats Juli dar. Die Wetterverhältnisse führten zu einer hohen Einspeisung aus erneuerbaren Energien. Der erneuerbare Anteil an der öffentlichen Stromerzeugung in Deutschland lag im Juli bei 69,2 %. Im gleichen Monat des Vorjahres lag er lediglich bei 52,8 %. Im Vormonat, dem Juni 2023, stammten 63,8 % der öffentlichen Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen. Bezogen auf die Last lag der Anteil erneuerbarer Energien an zwölf Zeitpunkten über 100 %. Es wurde zu diesen Zeitpunkten also mehr Strom aus erneuerbaren Energiequellen eingespeist als in Summe verbraucht wurde. (Quelle: energy-charts).

Mit 3,4 TWh kam es in diesem Jahr zu den höchsten Stromimporten für einen Juli-Monat. Die Importe kamen vor allem aus Dänemark, der Schweiz, der Niederlande und Norwegen. Gleichzeitig war der Juli 2023 der Monat mit den geringsten Erzeugungsmengen aus fossilen Energiequellen, den es in Deutschland je gab.

Terminmärkte im Seitwärtstrend – was passierte im Juli?

Der Frontjahreskontrakt für Strom (Cal 24) verlief im Juli seitwärts. Im Zeitraum vom 30.06.2023 bis zum 31.07.2023 verlor der Kontrakt einen Prozentpunkt. Nachdem in der zweiten Juliwoche niedrige Gaspreise eine Abwärtsbewegung des Cal 24 ausgelöst hatten, erholten sich zu Beginn der zweiten Monatshälfte die Preise. Die niedrigeren Preise bedingten ein erhöhtes Kaufinteresse.

Zudem kam es in diesem Zeitraum zu einem Anstieg der Gas-, Kohle- und EUA-Preise, was die Erholung stützte (Quelle: Montel). Die Aufwärtsbewegung endete in den letzten Tagen des Monats. Die Marktsituation gibt keine fundamentale Unterstützung her, die eine nachhaltige Aufwärtsbewegung auslösen könnte (Quelle: Montel). Insgesamt ist die Liquidität der Märkte aufgrund der Urlaubszeit momentan eher gering (Quelle: Montel).

prozentuale Preisentwicklung des deutschen Stromfrontjahres (candle sticks), der CO2-Zertifikate mit Lieferung Dezember 2023 (orange Linie), des Frontjahres Gas am TTF (gelbe Linie) und des Frontjahrs Kohle (rote Linie)

Abbildung 3: prozentuale Preisentwicklung des deutschen Stromfrontjahres (candle sticks), der CO2-Zertifikate mit Lieferung Dezember 2023 (orange Linie), des Frontjahres Gas am TTF (gelbe Linie) und des Frontjahrs Kohle (rote Linie) (Quelle: Montel)

Die Gaspreise im Juli waren gleichbleibend niedrig. Die Gasspeicher in ganz Europa sind weiterhin überdurchschnittlich gefüllt. Mitte des Monats kam es zu einem kurzfristigen Anstieg der Gaspreise. Dieser wurde ausgelöst durch verlängerte Wartungsarbeiten an der norwegischen Gasinfrastruktur (Quelle: Montel). Zum Ende des Monats kam es jedoch zu einer leichten Gegenbewegung.

Kühlere Temperaturen in Europa werden den Gasverbrauch zur Stromerzeugung für Kühlzwecke in den nächsten Wochen sinken lassen. Das verbessert die Versorgung weiterhin und ermöglicht weiter steigende Speicherfüllstände (Quelle: Montel). Die EUA-Preise stehen unter zwei gegenläufigen Einflüssen. Niedrigere Emissionen stehen einem verringerten Angebot gegenüber (Quelle: Montel). Im Juli handelte der Leitkontrakt EUA Dezember 23 seitwärts.

Sie wollen wissen, was im Mai 2023 passiert ist. Hier geht es zum vorherigen Markt-Rückblick.

Passend zum Wasserstoff-Thema empfehlen wir unser Live-Online-Training am 25. & 26. September 2023: Wasserstoff-PPA in Deutschland und Europa

 

Quellen:

Windpark: Vattenfall stoppt Offshore-Projekt vor England wegen stark gestiegener Preise (wiwo.de)

nz-e-news-update-july-2023.pdf (vattenfall.com)

Montel: FNB legen Plan für Kernnetz zum Wasserstofftransport vor

Energiewende: Bundesweite Wasserstoff-Autobahn steht in den Startlöchern (wiwo.de)

Niger: Soldaten verkünden Machtübernahme der Armee – DER SPIEGEL

Uran im Niger: Europas nächstes Energieproblem (wiwo.de)

Wetter und Klima – Deutscher Wetterdienst – Presse – Deutschlandwetter im Juli 2023 (dwd.de)

Anteil erneuerbarer Energien | Energy-Charts

Montel: Strommarkt: Kalenderjahr korrigiert nach schwacher Woche; Cal 24 gibt mit schwachem Gas nach; Strommarkt: Kalenderjahr steigt mit Gas, CO2Strommarkt: Kalenderjahr korrigiert nach schwacher Woche; Gastag: Preise sinken mit guter Versorgung; CO2: Preise sollen weiter seitwärts handeln

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Energiemarkt-Rückblick August 2023

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In diesem Beitrag werfen wir wie gewohnt einen Blick auf die Energieerzeugung des vergangenen Monats. Im August 2023 stammte mehr als die Hälfte des deutschen Strommixes, also in etwa 19,3 TWh, aus erneuerbaren Energiequellen. Etwa ein Drittel, nämlich 12,2 TWh, wurde durch fossile Brennstoffe erzeugt, während die restlichen 15 Prozent durch Stromimporte aus dem Ausland gedeckt wurden. Doch wie schlägt sich der August im Vergleich zu den Vorjahren?

Erneuerbare Energien im Jahresvergleich

Bislang war das Jahr 2023 ein erfreuliches Jahr für erneuerbare Energien, und der August setzt diesen positiven Trend fort. Diese erfreulichen Zahlen verdanken wir hauptsächlich den rekordverdächtigen Energiemengen aus Solarenergie und Windkraft. Dank der günstigen Wetterbedingungen und der hohen Sonneneinstrahlung im August konnten Solaranlagen beachtliche 6,7 TWh erzeugen. Dieser Wert stellt den zweithöchsten Augustwert dar, wobei nur der August 2022 mit 7,5 TWh noch höher lag. In ähnlicher Weise trug auch die Windkraft mit 6,8 TWh zur Stromerzeugung bei und landet somit auf dem zweiten Platz im Jahresvergleich, knapp hinter dem Spitzenwert aus dem Jahr 2021 (Abbildung 1).

Gas, Stein- und Braunkohle für August im Jahresvergleich, Energy Brainpool, Energiemarktrückblick August 2023

Abbildung 1: Wind und Solar für August im Jahresvergleich (Quelle: Fraunhofer EnergyCharts auf Datenbasis von EntsoE)

Fossile Energieerzeugung auf dem Rückzug

Ein klarer Abwärtstrend zeichnet sich bei der Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen ab. Insbesondere die Verwendung von Braunkohle als Energieträger ist im Vergleich zu den Vorjahren drastisch gesunken. Tatsächlich erreichte die Stromerzeugung aus Braunkohle den historisch niedrigsten Wert. Im August 2023 steuerte die Braunkohle mit 5,4 TWh lediglich einen Bruchteil ihrer einstigen Energiemengen bei (Abbildung 2).

Der sinkende Preis von Erdgas hat diesen Rückgang teilweise kompensiert. Im Vergleich zu den Vorjahren wurde Erdgas deutlich stärker zur Stromerzeugung herangezogen. Dieser Trend kann größtenteils auf die gestiegenen Preise für CO2-Zertifikate zurückgeführt werden, neben der gleichzeitig entspannten Entwicklung der Gaspreise. Diese Preisanstiege bei den CO2-Zertifikaten betreffen die Braunkohle wesentlich stärker als Erdgas und Steinkohle.

 Wind und Solar für August im Jahresvergleich, Energy Brainpool, Energiemarktrückblick August 2023

Abbildung 2: Gas, Stein- und Braunkohle für August im Jahresvergleich (Quelle: Fraunhofer EnergyCharts auf Datenbasis von EntsoE)

Rekordhohe Stromimporte – ein Warnsignal?

Ein weiterer Rekord wurde auf dem grenzüberschreitenden Strommarkt verzeichnet. Im August 2023 importierte Deutschland noch nie zuvor so viel Strom aus dem Ausland. Der gesamte Importsaldo belief sich auf 5,8 Gigawattstunden. Diese Mengen stammten hauptsächlich aus Dänemark, der Schweiz, den Niederlanden und Norwegen. Noch vor wenigen Monaten war Deutschland ein Nettoexporteur auf dem Strommarkt. Doch seit dem Ausstieg aus der Kernenergie hat sich das Blatt gewendet: Wir importieren nun signifikant mehr Strom. Aber warum ist das so? Haben wir nicht mehr genug eigene Kapazitäten, um unseren Strombedarf zu decken? Droht ein möglicher Blackout?

Die Unterstellung, dass Deutschland nicht mehr über ausreichende eigene Kapazitäten verfügt, um seinen Strombedarf zu decken, ist Unsinn. Tatsächlich stehen immer noch 77 Gigawatt gesicherte Leistung durch konventionelle Energieerzeugung zur Verfügung. Diese können selbst in Zeiten höchster Nachfrage und kompletter Wind- und Sonnenflaute den Strombedarf in Deutschland decken. Doch gestiegene Kosten für Brennstoffe und Emissionszertifikate haben den Import von Strom aus dem Ausland wirtschaftlich attraktiver gemacht als die Inbetriebnahme eigener Kraftwerke.

Die fortschreitende europäische Integration des Strommarktes ermöglicht es nun auch ausländischen Kraftwerken, ihre Energie auf dem deutschen Markt anzubieten. Den Zuschlag erhalten dabei immer die Kraftwerke, die das günstigste Angebot abgeben – das letzte setzt den Preis. Dieses Prinzip wird in der Energiewirtschaft als “marginal pricing” oder “Merit-Order-Modell” bezeichnet. Besonders der Strom aus erneuerbaren Energien kann hier durch seine geringen Gestehungskosten zu sehr günstigen Preisen bieten.

Die importierten Strommengen sind somit nicht das Ergebnis von Kapazitätsmangel, sondern vielmehr ein Zeichen für eine immer effizientere Preisbildung auf den europäischen Strommärkten. Dabei werden alle verfügbaren Kapazitäten berücksichtigt. Bruno Burger vom Fraunhofer-Institut erklärte hierzu auf Twitter, dass die importierten Strommengen hauptsächlich aus 56 % erneuerbarer Energie, 19,5 % Kernenergie und 24,2 % fossilen Quellen bestanden. Die Daten stammen aus eigener Berechnung.

Zusammenfassend lässt sich feststellen: Stromimporte sind aus volkswirtschaftlicher Sicht effizient, glätten die Strompreisspitzen und kommen allen Beteiligten zugute.

Stromimporte im August nach Länder und Unterscheidung in konventionell und erneuerbar, Energy Brainpool, Energiemarkt-Rückblick August 2023

Abbildung 3: Stromimporte im August nach Länder und Unterscheidung in konventionell und erneuerbar (Quelle: Fraunhofer EnergyCharts auf Datenbasis von EntsoE , https://twitter.com/energy_charts_d/status/1697927321598988489 (abgerufen 15.09.2023)

Solarausbau nimmt Fahrt auf! Beim Wind herrscht Flaute!

Die politischen Ausbauziele in Deutschland für das Jahr 2023 sind klar definiert: 9 Gigawatt (GW) neue Solaranlagen und knapp 4 GW Windkraftanlagen sollen neu errichtet werden. Doch das derzeitige Umfeld ist für erneuerbare Energien alles andere als günstig. Die Zinswende, belastete Lieferketten und die Inflation stellen deutsche Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen, wenn es darum geht, Projekte im Bereich erneuerbare Energien umzusetzen.

Trotz dieser Widrigkeiten verzeichnet die Solarenergie einen beeindruckenden Zubaurekord. Bis zum 14. September wurden bereits 9 GW neue Anlagen ans Netz angeschlossen. Das bedeutet, dass die politischen Ziele bereits zu 100 Prozent erreicht wurden. Wenn dieser Trend für den Rest des Jahres in diesem Tempo anhält, könnten wir am Ende des Jahres sogar bis zu 12 GW neue Solarkapazitäten hinzugewinnen.

Der bisherige Rekord im Zubau von solarer Leistung wurde im Jahr 2011 mit 7,9 GW erreicht. In den Jahren 2013 und 2014 fielen die Zahlen stark, bedingt durch die damalige Kürzung der EEG-Vergütung (Diagramm 4). Seitdem sind die Kosten für konventionelle Stromerzeugung erheblich gestiegen, während sich die Solartechnik kontinuierlich verbessert hat. Dies führte dazu, dass der Einsatz von Solarenergie wieder rentabler wurde und die Ausbauzahlen wieder anstiegen.

Zubau an installierter Solarleistung, Energy Brainpool, Energiemarktrückblick August 2023

Abbildung 4: Zubau an installierter Solarleistung (Quelle: Fraunhofer EnergyCharts auf Datenbasis von EntsoE)

Für die Solarbranche sind das gute Nachrichten. Insbesondere da die Ausbauziele in den nächsten Jahren noch einmal deutlich erhöht werden soll. Ab dem Jahr 2026 sollen nämlich jährlich bis zu 22 GW zugebaut werden (BWMK, 2023). Zum Vergleich: Anfang 2022 waren es noch in Summe 67 GW am Netz.

Die Lage bei der Windkraft hingegen unterscheidet sich deutlich von der Solarenergie. Der Windkraftausbau bleibt weiterhin deutlich unter den gesteckten Zielen. Eine Trendwende scheint unwahrscheinlich. Bis zum 14. September 2023 wurden die Ausbauziele für das Jahr 2023 erst zu 45 Prozent erreicht. Auch die Ausschreibungsergebnisse der Bundesnetzagentur (BNetzA) lassen wenig Hoffnung aufkommen. Die Ausschreibung für Windenergie an Land fand am 1. August statt und war erneut unterzeichnet. Obwohl die BNetzA das Volumen bereits auf 1,6 GW reduziert hatte, wurden lediglich Gebote im Umfang von 1,4 GW eingereicht.

Doch warum läuft es bei der Windkraft so viel schlechter als bei der Photovoltaik? Insgesamt sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Windkraft deutlich anders als für die Photovoltaik. Langwierige Genehmigungsverfahren, Bürgerproteste und steigende Zinskosten machen neue Windprojekte unattraktiv.

Ein weiterer Faktor ist der Standort. Wenn bereits viele Windkraftanlagen in unmittelbarer Nähe zueinander installiert sind, produzieren sie ihren Strom gleichzeitig. Dies kann zu Netzengpässen führen, bei denen der erzeugte Strom nicht vom Erzeuger zum Verbraucher transportiert werden kann. In solchen Fällen werden die Windräder durch einen sogenannten Redispatch angehalten, um eine Überlastung des Netzwerks zu verhindern. Der Betreiber erhält dann eine Ausfallvergütung, um den Verlust teilweise zu kompensieren. Diese werden jedoch durch die Netzentgelte gegenfinanziert. Das hat zur Folge, dass Endverbraucher in Gebieten mit viel Windkraft durch höhere Netzentgelte belastet werden könnten, welches die Akzeptanz von Windenergieanlagen in der Bevölkerung reduziert. Dieser Faktor wird zukünftig bei der Neuausschreibung von Flächen stärker berücksichtigt werden müssen und könnte auch das Wachstum der Windkraft bremsen.

Derzeit verteilt sich die Solar- und Windenergie in Deutschland sehr ungleichmäßig. Die südlichen Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg verzeichnen die höchste installierte Solarleistung, sind jedoch Schlusslichter beim Windenergieausbau. Die nördlichen Bundesländer Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Brandenburg hingegen führen beim Windkraftausbau. Für den Erfolg der Energiewende ist es von entscheidender Bedeutung, neben der Solarenergie auch ausreichend Windenergie zur Verfügung zu haben, die gleichmäßig über das Land verteilt ist. Die Ziele des EEG 2023 sehen für die Windkraft 115 GW bis 2030 vor (BMWK, 2023). Hierfür muss das Tempo deutlich erhöht werden, um dem Ziel gerecht zu werden. Es bedarf entschlossenen politischen Maßnahmen, um den Ausbau weiter voranzutreiben.

Rohstoffpreisentwicklung

Keine Ruhe auf den Gasmärkten!

Zu Beginn des Monats August 2023 lag der Gaspreis an der TTF bei 32 Euro pro Megawattstunde. Die Anzeichen standen eigentlich günstig, dass endlich Ruhe auf den Gasmärkten einkehren könnte. In den Monaten Juni und Juli 2023 trieben jedoch Berichte über gedrosselte norwegische Gaslieferungen und den wachsenden Wettbewerb um LNG (verflüssigtes Erdgas) in Asien die Gaspreise in die Höhe. Dennoch schien Anfang August der Preis sich von diesen Entwicklungen erholt zu haben. Die Gasspeicher waren auf Rekordniveau gefüllt, und der Gasverbrauch befand sich auf einem historischen Tiefpunkt.

Doch dieser Aufschwung war nur von kurzer Dauer. Im Verlauf des Augusts stieg der Gaspreis erneut deutlich an. Die Nachrichten über einen drohenden Streik beim australischen LNG-Produzenten Woodside befeuerten die Märkte. Australien ist für rund 10 Prozent der weltweiten LNG-Produktion verantwortlich und spielt somit eine Schlüsselrolle in der globalen Gasversorgung. Kommt es also zu Störungen bei der Versorgung aus diesem Land, sei es durch Streiks oder sonstige Schocks, reagieren die LNG- und Gasmärkte entsprechend darauf. Während viele Analysten davon ausgehen, dass es sich bei dieser Preiserhöhung nur um eine vorübergehende Erscheinung handelt, bleibt der Markt in einem äußerst sensiblen Zustand.

Die Frage, wohin die Reise geht, ist jedoch alles andere als einfach zu beantworten. Ein Blick auf die sogenannte Price-Forward-Curve kann dabei helfen. Diese stellt die erwarteten Preise für ein Energieprodukt auf Basis der aktuell gehandelten Terminkontrakte zu verschiedenen zukünftigen Zeitpunkten dar. Für die kommende Heizsaison und die folgenden Jahre 2024/25 zeigen die Märkte die Erwartung an einen Gaspreis von über 55 Euro pro Megawattstunde. Dies entspricht etwa dem Doppelten des Niveaus vor der Krise. Ab dem Jahr 2026 gehen die Preiserwartungen jedoch deutlich zurück.

Dennoch bieten diese Zahlen natürlich keine verlässliche Antwort auf die Frage. Sie spiegeln lediglich die Erwartungen unter den heutigen Bedingungen wider. Die Gasmärkte bleiben anfällig für externe Schocks, was bedeutet, dass sich die Vorzeichen bereits morgen wieder ändern könnten.

 Gas-PFC, Energy Brainpool, Energiemarkt-Rückblick August 2023

Abbildung 5: Gas-PFC (Quelle: Energy Brainpool auf Datenbasis von EEX)

Kohle- und Ölpreise bekommen Aufwind

Im Verlauf des Jahres 2023 verzeichnete der Kohlepreis insgesamt einen Rückgang. Doch im August nahm dieser plötzlich wieder spürbar Fahrt auf. Der ICE-Monatskontrakt für September wurde Anfang August noch bei rund 105 US-Dollar pro Tonne gehandelt. Getrieben von den Unsicherheiten auf dem Gasmarkt konnte der Kohlepreis trotz der geringen Nachfrage der Kraftwerke zeitweise sogar auf 128 US-Dollar steigen. Inzwischen hat sich der Kohlepreis jedoch, gemeinsam mit dem Gaspreis, wieder etwas stabilisiert und ist sogar leicht gesunken.

Ganz im Gegensatz dazu kennt der Ölpreis seit Mitte des Jahres nur eine Richtung: nach oben. Bereits im Mai erreichte der Preis pro Barrel sein Jahrestief von 76 US-Dollar. Seitdem hat der Ölpreis sämtliche Hindernisse auf dem Weg nach oben mühelos überwunden und notiert inzwischen auf einem Niveau von über 90 US-Dollar. In letzter Zeit machten wenig ermutigende Wirtschaftsnachrichten aus Europa, China und den USA die Runde. Normalerweise führen solche Nachrichten dazu, dass der Ölpreis nachgibt. Doch diesem stand ein deutlich stärker wirkender preistreibender Faktor gegenüber. Die großen Ölförderländer Saudi-Arabien und Russland verkündeten, dass sie ihre bereits gedrosselte Fördermenge bis Jahresende beibehalten werden. Diese Ankündigung stabilisierte den Preis und trieb ihn sogar weiter nach oben.

Es bleibt schwer vorherzusagen, wie lange diese Preisrallye anhalten wird. Allerdings können lang anhaltende Preissteigerungen auf den Öl- oder Energiemärkten die Inflation befeuern. Wenn der Preis bis zum Ende des Jahres weiterhin in diesem Tempo steigt, könnte dies Anlass zur Sorge geben.

Externe Quellen:

  1. Fraunhofer EnergyCharts (2023), URL: https://energy-charts.info (abgerufen: 18.09.2023)
  2. Bruno Burger (2023) via Twitter, URL: https://twitter.com/energy_charts_d/status/1697927321598988489 (abgerufen: 18.09.2023)
  3. BMWK (2023), Eckpunkte einer Windenergie an Land Strategie. Link: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/photovoltaik-stategie-2023-entwurf.pdf?__blob=publicationFile&v=12 (abgerufen: 18.09.2023)
  4. BMWK (2023), Photovoltaikstrategie. Link: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/photovoltaik-stategie-2023-entwurf.pdf?__blob=publicationFile&v=12 (abgerufen: 18.09.2023)

Der Beitrag Energiemarkt-Rückblick August 2023 erschien zuerst auf Energy BrainBlog.

Aussichten für den europäischen Strommarkt: Der EU Energy Outlook 2060

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Für einen Eindruck über die mögliche Entwicklung des Energiemarktes in der Zukunft veranschaulicht der „EU Energy Outlook 2060“ von Energy Brainpool die Rohstoffpreise, den Kraftwerkszubau und die Stromnachfrage und zeigt als Ergebnis dieser Faktoren die Strompreise bis zum Jahr 2060. Der „EU Energy Outlook 2060“ erklärt und vergleicht die Entwicklungen in Energy Brainpools Strompreisszenarien „Central“ und „GoHydrogen“ für die EU 27, inklusive Norwegen, der Schweiz und Großbritannien. Jedoch können die tatsächlichen Entwicklungen in den einzelnen Ländern deutlich variieren. Um fundiert entscheiden zu können, sind detaillierte Modellierungen der einzelnen nationalen Märkte und der länderspezifischen Einflussfaktoren inklusive Sensitivitätsanalysen unerlässlich.

Energy Brainpools Strompreisszenarien

Energy Brainpool bietet aktuell drei Strompreisszenarien an. Abbildung 1 zeigt die unterschiedlichen Trends der Szenarien. Die Schwankungen betreffen die Annahmen zur Entwicklung der Commodity-Preise sowie des Kraftwerksparks und der flexiblen Stromnachfrage. Für das aktuelle Update ist besonders hervorzuheben, dass der neue World Energy Outlook 2023 mit den drei Commodity-Preisszenarien „Stated Policy“, „Announced Pledges“ und „Net Zero Emissions“ von International Energy Agency veröffentlicht wurde, welche wir als Quelle für die langfristige Commodity-Preisannahmen unserer Strompreisszenarien heranziehen.

Trends in den unterschiedlichen Szenarien

Abbildung 1: Trends in den unterschiedlichen Szenarien (Quelle: Energy Brainpool, 2023)

Das „Central“-Szenario

Im „Central“-Szenario wird angenommen, dass Europa als Folge der aktuellen Spannungen mit Russland den Import von russischem Pipeline-Gas bis spätestens 2027 vollständig beendet. Der Erdgaspreis in Europa orientiert sich in der Folge am Weltmarktpreis für LNG. Langfristig wird fossiles Erdgas durch den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen und insbesondere „grünem“ Wasserstoff ersetzt. Insofern Erdgas nach 2040 noch für die Stromerzeugung genutzt wird, muss der Preis bei steigendem CO2-Preis entsprechend sinken, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Das Szenario geht von einem künftig stark dezentralisierten Energiesystem mit einem deutlichen Ausbau der Erneuerbaren aus, um die allgemeine Importabhängigkeit bei den fossilen Energieträgern mittelfristig zu reduzieren und so schnell wie möglich zu beenden. Dies geht einher mit einem Anstieg der flexiblen Stromnachfrage: Neben der zunehmenden Produktion von Wasserstoff durch Elektrolyseure wird bis 2060 der Wärmesektor über einen weiteren Ausbau der Wärmepumpen vollständig dekarbonisiert. Der Anteil der Elektromobilität in Europa bei Personen- und Lastkraftwagen steigt bis 2060 auf 95 Prozent.

Das „Tensions“-Szenario

Das Szenario „Tensions“ geht davon aus, dass sich die aktuellen Spannungen zwischen Russland und dem Westen in den kommenden Jahren fortsetzen und weiter verschärfen. Infolgedessen beendet Europa den Import von russischem Pipeline-Gas so früh wie möglich. Der Erdgaspreis orientiert sich anschließend am Weltmarktpreis für LNG. Dabei befinden sich die europäischen Verbraucher:innen in einem Wettbewerb um LNG mit den asiatischen Märkten, was auch mittelfristig zu einem hohen Erdgas-Preisniveau führt.

Gleichzeitig kommt es im Vergleich zum „Central“-Szenario zu einem Anstieg der CO2-Preise. Dieser soll zusätzliche Einnahmen zur Refinanzierung von Staatsschulden generieren und die technologische Entwicklung beim Einsatz von Wasserstoff fördern. In einzelnen Ländern, beispielsweise in Deutschland, geht der Ausbau von Erneuerbaren unter anderem durch einen Fachkräftemangel und unzureichende politische Förderung langsamer voran als im „Central“-Szenario.

Das „GoHydrogen”-Szenario: Eine Wasserstoff-Energiewelt

Mit dem EU Green Deal gibt es erstmals auf europäischer Ebene eine klare Zielvorgabe zur Erreichung der europaweiten Klimaneutralität bis 2050. Während das Ziel damit gegeben ist, sind die Wege dahin noch unklar. Mit „GoHydrogen“ haben wir ein Szenario entwickelt, wie sich die gravierende Umwandlung des Energiesystems vor diesem Hintergrund gestalten lässt.

Das Szenario „GoHydrogen“ beschreibt eine zukünftige Energieversorgung Europas, in der langfristig fossiles Erdgas durch Wasserstoff substituiert wird. Das Nutzungspotential von Wasserstoff wird in den Hauptenergiesektoren voll ausgeschöpft, so dass Wasserstoff zu einem der Hauptenergieträger avanciert. Brennstoffzellen-LKWs, klimaneutraler Stahl aus dem Direktreduktionsverfahren, stoffliche Nutzung in der chemischen Industrie und wasserstoffbasierte Heizsysteme zum Energieeintrag in bestimmte Wärmenetze sind Anwendungen, bei denen Wasserstofftechnologien eine Schlüsselrolle spielen werden. In 2050 ergibt sich somit ein europaweiter Wasserstoffbedarf von über 2.200 TWhBrennwert, welcher zu 50 % durch die heimische (europäische) Wasserstofferzeugung (überwiegend durch Elektrolyseure) gedeckt werden kann.

Für bestimmte Anwendungen wie privater Verkehr, Bereitstellung von industrieller Prozesswärme und Wärmeversorgung im Gebäudebereich wird auch eine Elektrifizierungsrate angenommen, sodass die gesamte Stromnachfrage inklusive des Stromverbrauchs der Elektrolyseure signifikant steigen wird. Bis 2050 wird eine jährliche europaweite Stromnachfrage von über 5.700 TWh angenommen, was knapp eine Verdopplung des heutigen Stromverbrauchs darstellt. Dieser Anstieg der Stromnachfrage wird vor allem durch den starken Zubau von erneuerbaren Erzeugungsanlagen wie Onshore- und Offshore-Windkraftanlagen sowie Solaranlagen, aber auch durch den Zubau von „H2-fähigen“ Gasturbinen ausgeglichen. Bezüglich des Wasserstoffimports bieten Regionen wie MENA, Subsahara-Afrika, Australien sowie Süd- und Nordamerika großes Exportpotential. Die MENA-Länder befinden sich aufgrund umrüstbarer Erdgaspipelines und der geografischen Nähe zu Europa in einer Schlüssel-Position. Weitere Informationen zum „GoHydrogen“-Szenario finden Sie in unserem Whitepaper, dass sie sich auf unserer Website kostenfrei herunterladen können.

Die Entwicklung der Rohstoffpreise

Kurzfristig werden für die Brennstoff- und CO2-Preise die aktuellen Entwicklungen auf den Terminmärkten berücksichtigt. Im Vergleich zu den Rekordhöhen Mitte 2022 sind insbesondere die Erdgaspreise in den letzten Monaten wieder deutlich gesunken. Im Vergleich zu ihrem langfristigen Durchschnitt bleiben sie dennoch auf einem hohen Niveau. Abbildung 2 zeigt exemplarisch den Verlauf des Future-Preises für Erdgas (TTF) für das Lieferjahr 2024. Für die kommenden Jahre erwartet der Terminmarkt einen weiteren Rückgang der Gas- und Steinkohlepreise, während bei den CO2-Preisen (EUA und UKA) von leicht steigenden Preisen ausgegangen wird.

Future-Preise Gas-TTF

Abbildung 2: Future-Preise Gas-TTF (Quelle: ICE, 2023)

Für Erdgas wird in den Strompreisszenarien mittelfristig angenommen, dass sich der europäische Erdgaspreis am Weltmarktpreis für LNG orientiert. Als voraussichtlich wichtigste Importquelle für Europa kann dafür US-amerikanisches LNG als preissetzend angenommen werden. Der Exportpreis für US-LNG entspricht historisch dem amerikanischen Benchmark-Preis für Erdgas am Handelsplatz Henry Hub. Hinzu kommt ein nachfragebedingter Aufschlag für den Transport innerhalb der USA sowie für die Verflüssigung von Erdgas zum Transport als LNG.

Um den Preis für US-LNG auf dem europäischen Markt zu schätzen, müssen zudem Kosten für Fracht und Regasifizierung in Europa berücksichtigt werden. Abbildung 3 zeigt die Zusammensetzung der Kostenkomponenten auf Basis der Henry Hub „Price Forward Curve“ sowie die mittleren Annahmen zu Verflüssigungs-, Fracht- und Regasifizierungskosten. Unter Berücksichtigung von Wechselkurs- und Inflationsannahmen ergibt sich für Central ein Erdgaspreis von 22,30 EUR2022/MWh. Dieser Preis wird im Szenario als Annahme für das Jahr 2030 genutzt.

Im Vergleich zum aktuellen World Energy Outlook 2023 der IEA (IEA, 2023) [1] liegt er um ca. 3 EUR/MWh über dem Wert, der im „Announced Pledges Scenario“ (APS) für den Erdgaspreis in Europa für 2030 angenommen wird. Im APS werden nur die Emissionsreduktionen realisiert, zu denen sich die Regierungen in Form von „Pledges“ bereits verpflichtet haben. Dies deckt sich mit der Grundannahme von unserem Referenzszenario „Central“, dass die festgelegten gesetzlichen Ziele für den erneuerbaren Zubau und Emissionsreduktion als Annahmen übernommen werden.

 Kostenkomponenten am Weltmarkt LNG (Quellen: US Office of Fossil Energy and Carbon Management,

Abbildung 3: Kostenkomponenten am Weltmarkt LNG (Quellen: US Office of Fossil Energy and Carbon Management, 2023)

Für die Szenarien „Tensions“ und „GoHydrogen“ ist das Vorgehen analog, nur mit den über die letzten vier Jahre maximalen bzw. minimalen Aufschlägen für Transport und Verflüssigung auf den aktuellen Future-Preis für amerikanisches Erdgas.

Abbildung 4 zeigt die daraus resultierenden Szenariopunkte für den Erdgaspreis in den Jahren 2030 und 2050. Zum Vergleich sind die Annahmen aus den Szenarien des World Energy Outlook 2023 – neben APS außerdem noch das „Stated Policies Scenario“ (STEPS) und das „Net Zero Emissions by 2050“ (NZE) – gegenübergestellt. In allen drei Strompreisszenarien wird für 2030 ein höherer Erdgas-Preis angenommen als von der IEA; konkret wird für 2030 für die drei Szenarien vom durchschnittlichen, minimalen bzw. maximalen Niveau des prognostizierten LNG-Weltmarktpreises ausgegangen. Im Zeitverlauf folgen die Preisannahmen im „Central“- und „GoHydrogen“-Szenario bis 2040 in der Tendenz dem „Announced Pledges“-Szenario. Im „Tensions“-Szenario verharrt der Erdgaspreis hingegen bis 2040 auf einem konstanten Niveau.

Langfristig wird fossiles Erdgas in seinen Endanwendungen durch Wasserstoff ersetzt. Konkret wird dieser entweder mittels Elektrolyse aus Strom produziert oder von außereuropäischen Regionen wie MENA, Amerikas und Ozeanien importiert. Wir nehmen an, dass solch „grüner“ Wasserstoff auf dem Weltmarkt gehandelt wird und spätestens ab 2040 mit dem „Clean Gas Price“ im Wettbewerb steht. Der „Clean Gas Price“ setzt sich zusammen aus dem Preis für Erdgas bzw. vergleichbare gasförmige Brennstoffe plus dem EUA-Preis, multipliziert mit dem Erdgas-Emissionsfaktor von 0,2 tCO2/MWhth. Dies erhöht den Preisdruck auf Erdgas nach 2040. Eine sukzessive Verdrängung von Erdgas durch Wasserstoff findet statt.

Im Ergebnis nähert sich der Erdgaspreis bis 2050 im „Tensions“-Szenario an das Preisniveau im „Stated Policies“-Szenario an, und der Erdgaspreis im „Central“-Szenario kommt dem Niveau im „Announced Pledges“-Szenario nahe. Im „GoHydrogen“-Szenario wird von einem deutlich höheren Angebot für Wasserstoff auf dem Weltmarkt und damit einem niedrigeren Preisniveau ausgegangen als in den anderen beiden Szenarien. Als Folge sinkt der langfristig nach 2040 der Preis für gasförmige Brennstoffe noch unter das Niveau des „Net-Zero-Emissions“-Szenarios im WEO.

Erdgas-Preis im World Energy Outlook und in den EBP Strompreisszenarien

Abbildung 4: Erdgas-Preis im World Energy Outlook und in den EBP Strompreisszenarien (Quelle: IEA World Energy Outlook, 2023; Energy Brainpool, 2023)

Die Entwicklung der mittel- und langfristigen Commodity-Preise für Steinkohle, Erdöl und CO2-Zertifikaten von 2030 bis 2060 basiert auf den Annahmen des aktuellen World Energy Outlook. Diese sind für Steinkohle und EUAs in den Abbildungen 5 und 6 dargestellt. Für Kohle geht der WEO dabei in allen Szenarien von höheren Preisen als im letzten Jahr aus, was an Angebotsrückgängen durch die russische Invasion der Ukraine sowie fortgesetzt hoher Nachfrage vor allem in Indien und China liegt. Bei CO2-Preisen gibt es für die Szenarien „Announced-Pledges“ und „Net-Zero-Emissions“ keine Veränderungen. Im Zeitverlauf sinkt der Kohlepreis in allen drei Szenarien bis 2050, während der CO2-Preis kontinuierlich ansteigt.

Steinkohle-Preis im World Energy Outlook

Abbildung 5: Steinkohle-Preis im World Energy Outlook (Quelle: IEA World Energy Outlook, 2023)

CO2-Preis im World Energy Outlook

Abbildung 6: CO2-Preis im World Energy Outlook (Quelle: IEA World Energy Outlook, 2023)

Wie sieht der europäische Kraftwerkspark der Zukunft aus?

Der Kraftwerkspark in Europa war in der Vergangenheit besonders von fossilen Erzeugungskapazitäten dominiert. Vielfach haben die im Markt befindlichen Kraftwerke bereits ein hohes Alter erreicht und müssen bis 2050 ersetzt werden. Ausgenommen hiervon sind nur die bereits im Bau befindlichen Kraftwerke.

Auch die Ergebnisse der europäischen Klimapolitik werden bei der Entwicklung des europäischen Kraftwerkparks berücksichtigt. Mittlerweile haben sich nahezu alle EU-Staaten, in denen heute noch Strom aus Kohle erzeugt wird, zu einem Kohleausstieg entschlossen, um negative Auswirkungen der hohen CO2-Emissionen zu begrenzen. Für die Zukunft stehen bekannte wie auch erprobte Technologien bereit: Gaskraftwerke, erneuerbare Energien und in einigen Märkten Kernkraftwerke.

Vor allem Windkraft und Photovoltaik haben weiterhin ein großes Wachstumspotenzial. Diese Technologien sind heute dank der stark gesunkenen Kosten wettbewerbsfähig. Dies ist auch ersichtlich durch die ansteigende Anzahl PPA-basierter Projekte, insbesondere für Solaranlagen. Durch den starken Zubau bis zur Mitte des Jahrhunderts geraten die Erneuerbaren durch den Kannibalisierungseffekt der Anlagen jedoch zunehmend wirtschaftlich unter Druck.

Im „Central“-Szenario steigt der Anteil der fluktuierenden erneuerbaren Energien (feE) bis in das Jahr 2050 auf rund 77 Prozent der gesamten Angebotsleistung (vgl. Abbildung 7). Zudem senkt ihre oft gleichzeitige Stromerzeugung den stündlichen Strompreis immer öfter und immer stärker. Alle erneuerbaren Technologien (ohne mit Wasserstoff betriebene Gasturbinen) zusammen haben einen Anteil von 86 Prozent am Kraftwerkspark.

 Installierte Erzeugungskapazitäten nach Energieträger im „Central“- und im „GoHydrogen“-Szenario in EU 27

Abbildung 7: Installierte Erzeugungskapazitäten nach Energieträger im „Central“- und im „GoHydrogen“-Szenario in EU 27, zzgl. NO, CH und UK (Quellen: Energy Brainpool, 2023; EU Reference Scenario, 2021; entso-e, 2022)

An steuerbaren, fossilen Erzeugungskapazitäten werden auf europäischer Ebene in Zukunft vor allem Gaskraftwerke zugebaut. Sie weisen geringere Emissionen im Vergleich zu Kohlekraftwerken auf. Letztere verlieren selbst mit Carbon Capture and Storage (CCS) weiter an Bedeutung. Gleichzeitig können in modernen, „H2-fähigen“ Gasturbinenkraftwerken statt fossilem Erdgas auch Wasserstoff und andere synthetische gasförmige Brennstoffe verbrannt werden. Durch diesen Wechsel gelten Gasturbinen und GuD-Kraftwerke langfristig nicht mehr als fossile Stromerzeuger, sondern werden zumindest teilweise zu den „emissionsfreien“ Kraftwerken gerechnet. Daher ist davon auszugehen, dass Gaskraftwerke auch auf lange Sicht eine wichtige Technologie bei der Stromerzeugung bleiben. Mit Gas- und Kernkraftwerken erhöht sich der Anteil der emissionsfreien Erzeugungskapazitäten in 2050 auf 99 Prozent.

Die Kapazitäten von Kohlekraftwerken verringern sich um über 82 Prozent bis 2050, und um knapp 93 Prozent bis 2060. Bei der Kernkraft ist nach dem Abschalten der deutschen Kraftwerke ein Rückgang der aktuell installierten Leistung um rund 19 Prozent bis zum Jahr 2050 zu beobachten. In der Gesamtbetrachtung reduziert sich der Anteil der Erzeugungskapazität steuerbarer, thermischer Kraftwerke (inklusive Gas) von aktuell rund 40 Prozent auf etwa 14 Prozent bis zum Jahr 2050. Dies hat einen erheblichen Einfluss auf die Struktur der Strompreise, welche zunehmend durch feE geprägt sind.

Im Szenario „GoHydrogen“ wird ein verstärkter Zubau an erneuerbaren Anlagen erwartet, sodass die installierten Erzeugungskapazitäten in Europa hier bis 2060 deutlich über 3500 GW liegen werden. Dabei werden vor allem Solar- und Windkraftanlagen in einem größeren Umfang ausgebaut als im „Central“-Szenario, sodass sie bis 2050 einen Anteil von über 80 Prozent der gesamten Erzeugungskapazitäten stellen werden.

Auch hier bleiben moderne, „H2-fähige“ Gasturbinenkraftwerke relevant, welche neben fossilem Erdgas vor allem auch Wasserstoff und andere synthetische gasförmige Brennstoffe verbrennen. Diese gelten somit nicht mehr notwendigerweise als fossile Stromerzeuger, sondern werden zumindest teilweise zu den „emissionsfreien“ Kraftwerken gerechnet. So werden bis 2050 praktisch alle Erzeugungskapazitäten in diesem Szenario emissionsfrei sein.

Im „GoHydrogen“-Szenario werden Kern- und Kohlekraftwerke auf dem gleichen Pfad wie im „Central“-Szenario zurückgebaut. Im Zuge des starken Zubaus erneuerbarer Anlagen reduziert sich der Anteil der Erzeugungskapazität steuerbarer, thermischer Kraftwerke (inklusive Gas) im „GoHydrogen“-Szenario von aktuell rund 40 Prozent auf etwa 12 Prozent bis zum Jahr 2050. Dadurch werden die Strompreise in diesem Szenario noch stärker durch die fluktuierenden erneuerbaren Energien geprägt als im „Central“-Szenario.

Steigende Stromnachfrage und Veränderungen in der Stromerzeugung bis 2060

Die gesamte Stromnachfrage steigt im „Central“-Szenario bis 2050 um circa 64 Prozent und bis 2060 um circa 71 Prozent, wie in Abbildung 8 dargestellt ist. Der Strombedarf erhöht sich vor allem durch:

  • die nationalen Wasserstoffstrategien und die Ausweitung der Wasserstoffanwendungen (Verbreitung der Brennstoffzellentechnologie im Transportbereich und vermehrte Nutzung von Wasserstoff in der Stahlerzeugung und in der chemischen Industrie),
  • die vermehrte Elektrifizierung von diversen Energiedienstleistungen in den Haushalten (insbesondere durch die Verbreitung von Wärmepumpen und sonstigen elektrischen Wärmeanwendungen für die Bereitstellung von Warmwasser und Raumwärme),
  • sowie den Anstieg der Elektromobilität.

Der Großteil des Wirtschaftswachstums findet laut Plänen der Europäischen Kommission im tertiären Sektor statt, welcher ebenfalls mehr Strom benötigt. Im Industriesektor kann durch eine höhere Effizienz verhindert werden, dass der Stromverbrauch deutlich steigt.

Im „GoHydrogen“-Szenario wird ein größerer Anteil der Haushaltsanwendungen und des Verkehrs elektrifiziert als im „Central“-Szenario, was eine höhere Stromnachfrage nach sich zieht. Zudem wird Wasserstoff hier noch mehr in der Industrie und im Verkehr eingesetzt, sodass mehr Elektrolyseure benötigt werden, was vor allem die flexible Stromnachfrage erhöht. Insgesamt wird die Stromnachfrage des „GoHydrogen“-Szenarios also die des „Central“-Szenarios im Jahr 2050 um rund 1000 GW übersteigen.

Bruttostromerzeugung und -nachfrage nach Energieträgern im „Central“- und im „GoHydrogen“-Szenario in EU 27

Abbildung 8: Bruttostromerzeugung und -nachfrage nach Energieträgern im „Central“- und im „GoHydrogen“-Szenario in EU 27, zzgl. NO, CH und UK (Quellen: Energy Brainpool, 2023; EU Reference Scenario, 2021; entso-e, 2022)

Die produzierte Strommenge aus Kohlekraftwerken ist für beide Szenarien stark rückläufig. So nimmt sie bis 2030 um rund 73 Prozent und bis 2050 um rund 92 Prozent (Central) bzw. 95 Prozent (GoHydrogen) ab. Die Stromproduktion aus Gaskraftwerken bleibt indes bis zum Jahr 2050 nahezu konstant.

Im „Central“-Szenario beträgt der Anteil erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung im Jahr 2050 über 76 Prozent. Dabei machen Wind- und Solaranlagen mit rund 62 Prozent den größten Anteil aus. Diese Anteile sind im „GoHydrogen“-Szenario noch höher, wo 2050 82 Prozent des Stroms von erneuerbaren Anlagen bereitgestellt werden wird, davon 70 Prozent von Wind- und Solaranlagen. Die restlichen Strommengen werden durch steuerbare, erneuerbare Energien produziert, wie zum Beispiel Biomassekraftwerke oder Speicherseen.

Weitere 18 Prozent des erzeugten Stroms werden im „Central“-Szenario ebenfalls emissionsfrei produziert, entweder in Kernkraftwerken (11 Prozent) oder in Gaskraftwerken durch die Verbrennung von grünem Wasserstoff (7 Prozent). Damit beträgt in diesem Szenario der Anteil der emissionsfreien Erzeugung in 2050 über 94 Prozent. Kernkraftwerke stellen im „GoHydrogen“-Szenario zwar absolut gesehen gleich viel Strom zur Verfügung wie im „Central“-Szenario, aber durch die höhere gesamte Erzeugungskapazität stellen sie einen niedrigeren prozentualen Anteil an der Stromerzeugung. Bei den Gasturbinen unterscheidet sich zwischen den Szenarien der Anteil emissionsfreier Produktion aus Wasserstoff. So lässt sich für das „GoHydrogen“-Szenario im Jahr 2050 ein Anteil von nahezu 100 Prozent an emissionsfrei erzeugtem Strom beobachten.

Entwicklung der durchschnittlichen Strompreise

Welche Faktoren beeinflussen die Entwicklung des Baseload-Preises – also des ungewichteten Durchschnittspreises für Strom am Day-Ahead-Spotmarkt über alle Stunden eines Jahres – in den Jahren 2023 bis 2050? Besonders relevant dafür sind die Rohstoff- und CO2-Preise sowie der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Entwicklung der Stromnachfrage. Die Entwicklung der durchschnittlichen Strompreise in den verschiedenen Szenarien ist in Abbildung 9 dargestellt.

Entwicklung der Strompreise in den jeweiligen Szenarien

Abbildung 9: Entwicklung der Strompreise in den jeweiligen Szenarien (Quelle: Energy Brainpool, 2023)

 

In den nächsten Jahren sind die Strompreise vom aktuell immer noch hohen Preisniveau an den Terminmärkten geprägt, wo aber bereits eine Entspannung begonnen hat. Zudem werden die Preise durch die immer höheren Einspeisungen aus Wind- und Photovoltaik-Kraftwerken gedrückt. Hierdurch gibt es zunehmend Stunden mit geringen und – in Ländern mit Fördersystemen für erneuerbare Energien oder ausgeprägten „Must Run“-Kapazitäten – häufig auch negativen Strompreisen. Im Ergebnis nehmen die realen Strompreise im „Central“-Szenario zwischen 2030 und 2060 nur leicht ab, mit einem deutlicheren Rückgang und einem anschließenden Anstieg um das Jahr 2040.

Das „GoHydrogen“-Szenario zeigt hingegen einen deutlicheren Rückgang der Strompreise ab 2035, woraufhin sich der Preis mit gewissen Schwankungen bis 2060 auf einem dauerhaft niedrigeren Niveau einpendelt als im „Central“-Szenario. In diesem Szenario sind höhere Einspeisungen aus Wind- und Solaranlagen zu beobachten, die zu mehr Stunden mit geringen und negativen Preisen führen als im „Central“-Szenario.

Im Vergleich zur letzten Ausgabe des EU Energy Outlooks vom April 2023 ist der Durchschnitt der Strompreise zwischen 2030 und 2050 für beide Szenarien leicht gesunken, bedingt durch den verstärkten Zubau von Wind- und PV-Anlagen (PV) in einigen Ländern.

Zwischen den einzelnen europäischen Ländern sind große Abweichungen sichtbar. Dies zeigen die dargestellten Schwankungsbreiten in Abbildung 10. Aufgrund der Entwicklung der Commodity-Preise verzeichnen insbesondere Länder mit einem geringen Ausbau von erneuerbaren Energien einen stärkeren Anstieg der Strompreise.

 

Jährliche Baseload-Preise und Schwankungsbreite nationaler Einzelmärkte ausgewählter Staaten in Europa im Durchschnitt

Abbildung 10: Jährliche Baseload-Preise und Schwankungsbreite nationaler Einzelmärkte ausgewählter Staaten in Europa im Durchschnitt (Quelle: Energy Brainpool, 2023)

Betrachten wir die Strompreise auf monatlicher Basis, wird deutlich, dass der Strommarkt saisonalen Schwankungen unterliegt (siehe Abbildung 11). Für den Winter zeigen die Analysen steigende Preise, bedingt durch die Temperatursensitivität der Stromnachfrage. Die Strompreise im Sommer liegen meist deutlich niedriger. Dieser Effekt wird durch den steigenden Anteil solarer Stromerzeugung verstärkt, so dass die saisonalen Preisunterschiede in der Zukunft zunehmen. Dieser Effekt zeigt sich im „GoHydrogen“-Szenario noch deutlicher, da der Ausbau von solarer Stromerzeugung in größerem Ausmaß stattfindet. Zudem wird sich hier eine höhere Nachfrage durch die verstärkte Nutzung von Wärmepumpen im Winter zeigen, welche zu einer größeren Saisonalität als im „Central“-Szenario führt.

Monatliche Baseload-Preise im Durchschnitt

Abbildung 11: Monatliche Baseload-Preise im Durchschnitt (Quelle: Energy Brainpool, 2023)

Welche Erlöse können Windkraftanlagen erzielen?

Der Vermarktungswert ist der durchschnittliche mengengewichtete Strompreis, den Wind- und PV-Anlagen über das Jahr gerechnet am Spotmarkt erzielen können. Bei der Berechnung werden nur Erzeugungsstunden mit nicht-negativen Strompreisen berücksichtigt (inklusive 0 EUR/MWh). Die Vermarktungsmenge gibt den Anteil der erzeugten Strommengen in diesen Stunden an der gesamten Erzeugungsmenge an. Das Produkt aus Vermarktungswert und Vermarktungsmenge ergibt den Capture-Preis. Im Gegensatz zum Vermarktungswert ist der Capture-Preis der durchschnittliche Jahreserlös am Strommarkt für die gesamte Erzeugungsmenge. Diese Kennzahlen ermöglichen es, die Erlöspotenziale von fluktuierenden, erneuerbaren Energien am Strommarkt realistisch einzuschätzen. Siehe auch White Paper „Bewertung der Strommarkterlöse von Anlagen fluktuierender erneuerbarer Energien“ welches auf unserer Website zum kostenlosen Download zur Verfügung steht.

Wie Abbildung 12 zeigt, gehen die Capture-Preise für Windanlagen ab dem Jahr 2025 merklich zurück. Der Grund dafür sind steigende Kapazitäten. Die parallele Erzeugung durch eine höhere Anzahl von Anlagen verringert die Strompreise in diesen Stunden (Kannibalisierungseffekt). Dieser Rückgang setzt sich für das „Central“-Szenario bis 2040 langsamer fort, bis es ab 2040 wieder zu einem moderaten Anstieg bedingt durch die zunehmende flexible Stromnachfrage kommt. Im „GoHydrogen“-Szenario lässt sich hingegen ein stärkerer Rückgang zwischen 2035 und 2040 beobachten, bevor sich die Capture-Preise ab 2040 mit leichten Schwankungen auf einem Niveau einfinden. Hier ergeben sich insgesamt niedrigere Preise, weil die Kapazitäten durch einen verstärkten Zubau erneuerbarer Anlagen mehr wachsen als im „Central“-Szenario.

Capture-Preise für Wind in ausgewählten europäischen Staaten im Durchschnitt

Abbildung 12: Capture-Preise für Wind in ausgewählten europäischen Staaten im Durchschnitt (Quelle: Energy Brainpool, 2023)

Die vielen Stunden, in denen steuerbare, fossile Kraftwerke den Preis setzen, trotz des hohen Anteils von erneuerbaren Energien, ermöglichen positive Erlösströme. Die Schwankungsbreite der Märkte zeigt, wie unterschiedlich die landesspezifischen durchschnittlichen Erlösmöglichkeiten von Windenergieanlagen in Europa sind.

Welche Erlöse können Photovoltaik-Anlagen (Solar) erzielen?

Die Entwicklung des durchschnittlichen Vermarktungswerts und Capture-Preises von Photovoltaik-Anlagen fällt im Vergleich zu Wind sowohl im „Central“- als auch im „GoHydrogen“-Szenario stärker ab (vgl. Abbildung 13). Grund hierfür ist der deutliche Zubau von Photovoltaik-Kapazitäten, unter anderem in Deutschland, in Verbindung mit dem stark ausgeprägten Kannibalisierungseffekt bei PV. In Stunden, in denen viel Solarstrom erzeugt wird – insbesondere in den Tagesstunden im Sommer – sinken die Strompreise und damit die Erlöse. Im „GoHydrogen“-Szenario ergeben sich ab 2035 niedrigere Capture-Preise für Solaranlagen als im „Central“-Szenario, weil die erhöhten Kapazitäten in den Windkraftanlagen für allgemein niedrigere Strompreise sorgen, die auch die Erlöse von Photovoltaik-Anlagen beeinflussen.

Capture-Preise für Solar in ausgewählten europäischen Staaten im Durchschnitt

Abbildung 13: Capture-Preise für Solar in ausgewählten europäischen Staaten im Durchschnitt (Quelle: Energy Brainpool, 2023)

Die große Schwankungsbreite der Solar-Vermarktungswerte in den Einzelstaaten zeigt, wie stark die Erlösmöglichkeiten variieren. Hier gilt es jedoch zu beachten, dass in einem sonnenreichen Land auch mit geringen Vermarktungswerten hohe Erlöse möglich sind. Das liegt daran, dass die Anlagen besser ausgelastet sind.

Zunahme der Preisvolatilität im Detail

Im „Central“-Szenario führen viele Faktoren zu einem deutlichen Anstieg der Preisvolatilität. In der Abbildung 14 wird die Preisvolatilität mithilfe von Boxplots dargestellt. Konkret beschreiben sie die jährlichen Baseload-Preise und die Quantile der Stundenpreise im jeweiligen Jahr.

Entwicklung der nachfragegewichteten Baseload-Preise und Quantile der Stundenpreise ausgewählter EU-Staaten im „Central“-Szenario

Abbildung 14: Entwicklung der nachfragegewichteten Baseload-Preise und Quantile der Stundenpreise ausgewählter EU-Staaten im „Central“-Szenario (Quelle: Energy Brainpool, 2023)

Durch den Ausstieg aus der Kohlekraft und den verstärkten Ausbau von Erneuerbaren wird die Preissetzung im Merit-Order zunehmend von binärer Natur sein – entweder werden die steuerbaren H2-fähigen Gaskraftwerke in Zeiten hoher Stromnachfrage oder die fluktuierenden Erneuerbaren Anlagen in Zeiten niedriger Stromnachfrage preisbestimmend. Im Ergebnis treten extreme Preise häufiger auf und werden zu einem normalen Bestandteil der Strompreisstruktur des Day-Ahead-Marktes. Dadurch steigt das Erlöspotenzial für Speicheranlagen, insbesondere Batteriespeicher werden wirtschaftlich immer attraktiver. Die Schwankungen zeigen sich im „GoHydrogen“-Szenario häufiger und in einem größeren Ausmaß als im „Central“-Szenario.

Autoren: Huangluolun Zhou, Elena Dahlem, Dr. Alex Schmitt

Teaser Brainreport 2.0

Quellen:

[1] EU, 2021: EU reference scenario 2020: Energy, transport and GHG emissions – trends to 2050 [online] https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/96c2ca82-e85e-11eb-93a8-01aa75ed71a1/language-en/format-PDF/source-219903975 [zuletzt abgerufen am 13.11.2023].

[2] IEA, 2023: World Energy Outlook [online] https://iea.blob.core.windows.net/assets/66b8f989-971c-4a8d-82b0-4735834de594/WorldEnergyOutlook2023.pdf [zuletzt abgerufen am 10.11.2023].

[3] entso-e, 2022 [online] https://tyndp.entsoe.eu/ [zuletzt abgerufen am 13.11.2023].

[4] US Office of Fossil Energy and Carbon Management, 2023 [online] https://www.energy.gov/fecm/listings/lng-reports [zuletzt abgerufen am 13.11.2023].

Der Beitrag Aussichten für den europäischen Strommarkt: Der EU Energy Outlook 2060 erschien zuerst auf Energy BrainBlog.

EUA – brauchen wir einen Kohleausstieg?

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Welche Rolle spielt die Kohle, der einst wichtigste Energieträger im deutschen Strommix, aktuell überhaupt noch?

Ein Blick in die Vergangenheit der Kohle

Wenn wir uns die erzeugten Strommengen aus Braun- und Steinkohle seit 2002 ansehen, lässt sich zumindest in der jüngeren Vergangenheit eine klare Tendenz erkennen: Der Kohle geht immer weiter die Puste aus! Im Jahr 2003 wurden etwa 263,6 TWh aus Braun- und Steinkohle produziert. In diesem Jahr sind es bislang nur noch 106,7 TWh (Stand: 07.12.2023). Natürlich ist das Jahr noch nicht vorüber, und uns steht noch ein kalter Monat bevor.

Dennoch können wir bereits jetzt sagen, dass es nur noch ein Bruchteil der einstigen Kohlemengen sein wird. Der rapide Abwärtstrend begann im Jahr 2015. Lediglich die Gas-Krisenjahre 2021 und 2022 verhalfen der Kohle noch einmal zu einer kurzen Renaissance. Nun haben sich die Gasmärkte wieder deutlich beruhigt. Das hat die Kohle erneut zurückgeworfen. Interessant ist hier zu beobachten, dass der Rückgang der Kohleverstromung fast ausschließlich die Steinkohle traf. Demgegenüber musste die Braunkohle deutlich weniger an Anteil einbüßen. Doch wie können wir uns diese Tendenzen erklären?

Wie immer auf dem Energiemarkt wirken hier eine Vielzahl von Faktoren. Dazu zählen der rückläufige Energieverbrauch, sich abkühlende Gaspreise und eine Flut an günstigen erneuerbaren Energiemengen. Doch gibt es einen weiteren entscheidenden Faktor, der die Kohle immer stärker unter Druck setzt: die EU-Emissionszertifikate (EUA). Im Zeitraum von 2010 bis 2017 lag der Zertifikatspreis unter 10 Euro pro Tonne CO2. In den Jahren danach verstärkte sich der Aufwärtstrend weiter, um dann Ende Februar 2023 auf ein Niveau um die 100 Euro zu pendeln. Inzwischen hat sich der Preis wieder etwas abkühlen können. Er verharrt nach wie vor auf einem deutlich höheren Niveau. Doch welche Effekte haben diese Preise in der Praxis?

CO2-Preis in der Praxis – ein Rechenbeispiel

Wenn man die Zertifikatspreise auf die Erzeugungskosten der verschiedenen fossilen Energieträger umlegen möchte, kann man dies in einem einfachen Rechenbeispiel tun. Um die Emissionsintensität – und damit auch ihre Zertifikatskosten – abzuschätzen, nehmen wir die vom Umweltbundesamt veröffentlichten Zahlen zu den Primärenergieträgern (1) und die durchschnittlichen Wirkungsgrade des deutschen Kraftwerksparks (2). Zusammen mit den aktuellen Brennstoffpreisen kann man dann grob abschätzen, wie viel eine Megawattstunde in ihrer Gestehung kostet.

Wenig überraschend ist, dass die Kohle aufgrund ihrer höheren Emissionsintensität und den vergleichsweise niedrigen Wirkungsgraden der Kraftwerke, deutlich stärker von den Zertifikatspreisen getroffen werden wie emissionsärmeres Gas. Zwar profitiert die Kohle immer noch von vergleichsweise niedrigen Brennstoffkosten. Sie liegen bei rund 37 Euro pro MWh für Stein- und acht Euro pro MWh für Braunkohle. Allerdings kommen hierzu noch Emissionskosten von rund 63 Euro pro MWh für Steinkohle und 84 Euro pro MWh für Braunkohle, falls man einen Zertifikatspreis von 85 Euro annimmt.

Kohleverstromung versus Zertifikatspreis, Energy Brainpool, Kohle

Abb. 1: Kohleverstromung versus Zertifikatspreis (Quelle: Energy Brainpool)

Unter diesen Annahmen ist die gesamte Stromgestehung aus Braunkohle aufgrund des billigen Brennstoffes noch günstiger als aus Steinkohle. Auch wenn diese aufgrund höherer Emissionsintensität stärker von den Preisentwicklungen der Zertifikate betroffen ist. Dieser Wettbewerbsvorteil erklärt uns, warum die Braunkohleverstromung in den vergangenen Jahren weniger vom Rückgang betroffen war als die Steinkohle.

Um Strom aus Gas zu erzeugen, stehen unter anderem Gas- und Dampfkraftwerke zur Verfügung. Diese haben zum einen den Vorteil, dass sie deutlich höhere Wirkungsgrade als Kohlekraftwerke bieten und sie einen emissionsärmeren Brennstoff nutzen. Damit sind sie die direkten Konkurrenten der Kohle in der Merit-Order. Die Kosten belaufen sich hier auf 25 Euro pro MWh für Emissionen und 70 Euro pro MWh für den Brennstoff.

Obwohl der Brennstoff Erdgas teurer ist, werden diese Mehrkosten durch geringere Emissionskosten in diesem Rechenbeispiel fast völlig kompensiert. Da wir hier mit Durchschnittswerten rechnen, können einzelne Kraftwerke, die neu oder besonders effizient sind, höhere Wirkungsgrade aufweisen. Dies kann im Einzelfall bereits jetzt dazu führen, dass GuD-Kraftwerke manche Kohlekraftwerke in der Merit-Order hinter sich lassen.

Brauchen wir einen Kohleausstieg?

Das Zahlenspiel soll eines verdeutlichen: Der Zertifikatspreis dürfte künftig immer öfter bestimmen, ob Kohlekraftwerke laufen oder nicht. Sollte der Zertifikatspreis dauerhaft über die Schwelle von 100 Euro steigen, wird es, unter absolut gleichen Umständen, sehr eng für die Kohle. Gleichzeitig benötigen wir auch einen deutlich beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren.

Kommen steigende Zertifikatspreise und Erneuerbaren-Ausbau zusammen, könnte das eintreffen, was der damalige RWE-Chef Martin Schmitz bereits vor zweieinhalb Jahren prognostizierte: „(…) dass der Kohleausstieg 2030 praktisch »erledigt« sei – auch ohne neues Gesetz.“

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Quellen:
[1] Umweltbundesamt (2022). CO2-Emissionsfaktoren für fossile Brennstoffe. Link

[2] Umweltbundesamt (2023) auf Basis AG Energiebilanzen: “Auswertungstabellen” (Stand 09/2023), Tabelle “Stromerzeugung nach Energieträgern”. Link

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Jahresrückblick: Das hat den Strommarkt 2023 bewegt

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Insbesondere die Abschaltung der letzten drei verbliebenen deutschen Kernkraftwerke löste einige kontroverse Debatten aus.

Energiesparen und Marktentspannung: sinkende Strompreise 2023

2023 sind sowohl die Nettostromerzeugung als auch die Last in Deutschland auf die niedrigsten Werte seit Anfang der 2000er gefallen, wie aus Abbildung 1 hervorgeht. Im vergangenen Jahr stellten Erzeuger in der öffentlichen Nettostromerzeugung 435,6 TWh Energie bereit. Dies stellt im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang von 56,2 TWh dar. Zwar ist auch die Last zurückgegangen, jedoch war deren Rückgang nicht so stark wie der der Erzeugung, sodass sich hier eine Diskrepanz von ca. 22 TWh eingestellt hat.

Der Rückgang der Last ist hauptsächlich auf zwei Dinge zurückzuführen:

  • Einerseits haben sowohl die privaten als auch die gewerblichen Verbraucher auf die gestiegenen Strompreise und die vergleichsweise milden Witterungsverhältnisse reagiert und ihren Verbrauch reduziert. Aufgrund der konjunkturellen Lage und der hohen Strompreise haben zudem Unternehmen aus energieintensiven Industrien ihren Verbrauch gemindert.
  • Außerdem setzen sowohl private als auch gewerbliche Verbraucher zunehmend auf die Produktion von dezentralem Strom und Eigenverbrauch. Dies resultierte in einer niedrigeren Netzlast, was die Reduktion der öffentlichen Nettostromerzeugung auf dem deutschen Strommarkt begünstigte.

Neben den Veränderungen der Energiemengen stellten wir 2023 auch deutliche Bewegungen bei den Preisen fest. Im Vergleich zu 2022 haben sich die volumengewichteten Durchschnittspreise um mehr als die Hälfte reduziert. 2023 lag der durchschnittliche volumengewichtete Day-Ahead Börsenstrompreis bei 92,29 €/MWh bzw. 9,23 Cent/kWh, und der durchschnittliche volumengewichtete Intraday Stundenpreis betrug 97,92 €/MWh bzw. 9,79 Cent/kWh.

Dem gegenüber stehen Werte aus 2022 von 230,57 €/MWh (Day Ahead) und 232,55 €/MWh (Intraday). Tatsächlich sind die Durchschnittspreise 2023 sogar noch unter die Preise von 2021 gefallen. Damals lag der durchschnittliche volumengewichtete Day-Ahead Börsenstrompreis bei 93,36 €/MWh und der durchschnittliche volumengewichtete Intraday Stundenpreis bei 99,90 €/MWh. Die Lage am Strommarkt hat sich also im Vergleich zum Krisenjahr 2022 wieder deutlich entspannt, wenngleich die Preise signifikant höher bleiben als vor der Corona-Pandemie.

Erneuerbare Energien – die wichtigste Quelle für den deutschen Strommarkt

Im Jahr 2023 produzierten die erneuerbaren Energiequellen Solar, Wind, Wasserkraft und Biomasse rund 260 TWh. Damit hoben sie das Niveau des Vorjahres von 242 TWh um ca. 7,2 % an.

Windkraft macht nicht nur den größten Anteil der erneuerbaren Energiequellen aus, sondern ist auch im gesamten Vergleich die wichtigste Stromquelle für den deutschen Markt. Insgesamt haben die Windkraftanlagen rund 140 TWh eingespeist. Hiervon entfallen ca. 115,3 TWh auf Windanlagen onshore und 23,5 TWh auf Windanlagen offshore. Mit einer Zunahme von ca. 17,3 TWh lag die gesamte Erzeugung der Windkraft 14,1 % über der Produktion von 2022. Das ist in erster Linie den günstigen Witterungsverhältnissen zu verdanken, denn die installierte Leistung ist nur um 5 % auf 69,5 GW angestiegen.

Vergleicht man die Entwicklung der Volllaststunden von on- und offshore Windanlagen, so zeigen sich hier deutliche Unterschiede. Während Wind onshore von 13,9 % mehr Volllaststunden als im Vorjahr profitieren konnte, musste Wind offshore einen Rückgang von 8,7 % hinnehmen. Durch den Zubau und das windige Wetter hat Wind onshore 19 % mehr Strom erzeugt als im Vorjahr. Wind offshore konnte den Rückgang der Erzeugung auf 5,2 % begrenzen. Das mag im ersten Moment kontraintuitiv wirken, denn vor der Küste erwartet man günstigere Windverhältnisse als auf dem Festland. Schuld an der Diskrepanz sind vor allem Netzengpässe, die eine volle Ausnutzung der vorhandenen Windenergiemenge begrenzt haben.

Im Bereich der Solaranlagen war im Jahr 2023 ein deutlicher Zubau zu beobachten. Da es im letzten Jahr aber weniger Sonnenstunden gab als 2022, haben sich die Volllaststunden für solare Stromerzeugung mit 13,3 % deutlich reduziert. Trotzdem konnte die Menge erzeugter Solarenergie um 1 TWh auf 59,9 TWh erhöht werden.

Bei der Wasserkraft ließ sich zwar kein Zubau beobachten, sodass die installierte Leistung bei 4,94 GW verharrte. Trotzdem ist die Erzeugung 2023 von 16,3 TWh im Vorjahr auf ca. 19,5 TWh gestiegen.

Die installierte Leistung für Biomasse hat sich leicht erhöht. Trotzdem wurde im Vergleich zum Vorjahr 3 % weniger Energie aus Biomasse erzeugt, sodass die Produktion 2023 42,3 TWh betrug.

Erneuerbare Energien stellten 2023 den historisch höchsten Anteil an der Last. Zum dritten Mal übertraf der Anteil der in Deutschland in das öffentliche Stromnetz eingespeisten erneuerbaren Energien an der Last die magische Grenze von 50 %, die 2023 mit 56,9 % so deutlich wie nie überboten wurde. Zudem hat der Anteil der erneuerbaren Energien an der gesamten Nettostromerzeugung einschließlich des solaren Eigenverbrauchs und der Eigenerzeugung von Industrie und Gewerbe 2023 zum ersten Mal die 50-Prozent-Marke überschritten, und das gleich mit 54,9 %. Im Vergleich zu 45,5 % im Vorjahr ist das eine beachtliche Steigerung der Bedeutung erneuerbarer Energien in der deutschen Energielandschaft.

Nicht erneuerbare Energiequellen auf dem Rückzug

Auch wenn die nicht erneuerbaren Energien im letzten Jahr an Bedeutung verloren haben, leisteten sie dennoch einen wichtigen Beitrag zur Energieerzeugung und haben häufig den Strompreis bestimmt.

Für die Kernkraft brachte das Jahr 2023 eine Zäsur. Bis zum 15. April wurden alle verbleibenden Kernkraftwerke abgeschaltet. Damit ist  nach fast 12 Jahren der Atomausstieg vollzogen. Vor der Abschaltung haben die deutschen Kernkraftwerke 2023 noch 6,7 TWh Strom erzeugt.

Strom aus Braun- und Steinkohlekraftwerken war 2022 aufgrund der angespannten Marktsituation sehr gefragt. Nichtsdestotrotz wurde Kohlestrom 2023 vermehrt wieder durch andere Energiequellen ersetzt,. Damit setzte  sich der generelle Abwärtstrend der vergangenen Jahre fort. So wurde 2023 so wenig Strom (brutto) aus Braunkohle 2023 produziert wie 1963. Mit einer Reduktion von 26,8 TWh im Vergleich zum Vorjahr stellten Braunkohlekraftwerke 2023 77,5 TWh netto für den öffentlichen Stromverbrauch und 3,7 TWh für den Eigenverbrauch der Industrie zur Verfügung.

Prozentual gesehen ist die Bedeutung der Steinkohle 2023 sogar noch stärker gefallen. Ein Rückgang von 21,4 TWh stellt eine Verringerung der Stromproduktion aus Steinkohle um 36,8 % dar. So wurden 2023 36,1 TWh für den öffentlichen Stromverbrauch und 0,7 TWh für den industriellen Eigenverbrauch produziert. Zuletzt war die Bruttostromerzeugung aus Steinkohle 1955 auf diesem niedrigen Niveau.

Strom aus Gaskraftwerken wurde 2023 nur um 1,1 TWh weniger nachgefragt als im Vorjahr. Gaskraftwerke lieferten in diesem Jahr 45,8 TWh für die öffentliche Stromversorgung und 29,6 TWh für den industriellen Eigenverbrauch.

Ausbaustatistiken zeigen Solarenergie auf dem Vormarsch

In das Bild zunehmender erneuerbarer Erzeugung und rückläufiger Erzeugung aus nicht erneuerbaren Quellen fügt sich auch die Statistik zum Zu- und Rückbau installierter Nettoleistung im Jahr 2023 nahtlos ein.

Dabei fällt vor allem auf, dass PV-Anlagen in einer Größenordnung von 14,3 GW signifikant zugebaut wurden. Dies hebt die installierte Leistung im Solarbereich erstmals über 80 GW an. Damit haben die Betreiber das selbst gesteckte Ziel der Bundesregierung von 12 GW sogar übererfüllt. In einem geringeren Maße wurden auch die Anlagen für Windenergie ausgebaut, wobei 3 GW Zubau auf Windenergie onshore entfallen und 0,3 GW auf Windenergie offshore. Die installierte Leistung für Windenergie onshore ist damit erstmals über 60 GW gestiegen, während die Leistung für Windenergie offshore 8,5 GW beträgt. Die installierte Leistung der Windkraftanlagen ist im vergangenen Jahr damit um 5 % auf 69,5 GW angestiegen. Das eigentliche Ziel von 3,9 GW Zubau wurde jedoch deutlich verfehlt. Als weiterer erneuerbarer Energieträger wurde die installierte Leistung für Biomasse mit 0,1 GW geringfügig ausgebaut, welche mit 9 GW knapp über dem Wert der Windenergie offshore liegt.

Als einzige fossile Energiequelle erlebte Erdgas einen Zubau. Hier wurde die installierte Leistung 2023 um 0,5 GW erhöht. Sie stellt mit 34,8 GW weiterhin die drittgrößte Energiequelle für Deutschland dar. Die installierte Leistung für Braunkohle wurde um 0,1 GW reduziert, während sich bei der Steinkohle noch weniger veränderte. Diese beiden Energieträger bleiben mit 18,6 GW (Braunkohle) und 18,9 GW (Steinkohle) signifikante Größen in der deutschen Energielandschaft. Die größte Veränderung gab es bei der Kernenergie, die nach dem Atomausstieg fortan mit einer von 4,1 GW auf 0 GW reduzierten Leistung keine Rolle mehr in der deutschen Energielandschaft spielt.

Besonders interessant ist zudem die Entwicklung der Batteriespeicher, die mehr Flexibilität auf dem deutschen Strommarkt ermöglichen. Mit einem Zubau von 3,7 GW Leistung und 5,3 GWh Kapazität können diese zunehmend mehr in Aktion treten. Bis Ende November 2023 erreichte Deutschland insgesamt 7,9 GW Leistung und 11,6 GWh Kapazität für Batteriespeicher, womit auch deutlich wird, wie signifikant der Ausbau allein im Jahr 2023 war. Sowohl Leistung als auch Kapazität wurden nahezu verdoppelt. Dies lässt für die kommenden Jahre eine zunehmend wichtigere Rolle von Batteriespeichern auf dem deutschen Strommarkt vermuten.

Übersicht Stromimporte: 2023 hauptsächlich aus Nordeuropa

Die Diskrepanz zwischen der Erzeugung in Deutschland sowie der deutschen Last wurde durch Importe ausgeglichen. Beim Stromhandel am Terminmarkt hatte Deutschland letztlich einen Importüberschuss von ca. 11,7 TWh, wobei der Import vor allem im Sommer durch niedrige Strompreise der Nachbarländer attraktiv wurde. Aus den physikalischen Stromflüssen ergab sich zudem ein Importüberschuss von 8,6 TWh.

Am meisten exportierten Dänemark (10,7 TWh), Norwegen (4,6 TWh) und Schweden (2,9 TWh) im Terminhandel nach Deutschland. Gleichzeitig hat natürlich auch Deutschland Exporte geleistet, die in erster Linie nach Österreich (5,8 TWh) und Luxemburg (3,6 TWh) gingen. Der wichtigste Partner für Im- und Export, Frankreich, taucht hier jedoch nicht auf, da sich hier über das gesamte Jahr ein Importsaldo von 0,4 TWh zeigt. Das liegt daran, dass Deutschland von Januar bis April viel Strom nach Frankreich exportiert hat und Frankreich diese Menge über die verbleibenden acht Monate mit Exporten nach Deutschland wettgemacht und nur geringfügig überboten hat.

Was erwartet die deutsche Energielandschaft in der Zukunft?

Für die Zukunft bestehen schwierige Aussichten für die Energiewende. Gerade die steigenden Zinsen, die Budgetprobleme für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) und das rasante Schmelzen des EEG-Kontos der Bundesregierung stellen große Herausforderungen für die Energiewende dar. Im Zuge dieser Entwicklungen steigen nicht nur die Finanzierungskosten neuer Ausbauprojekte, sondern gleichzeitig ist auch weniger Geld zur öffentlichen Förderung vorhanden. Andererseits gab es im vergangenen Jahr einen Rekordausbau von Solaranlagen und Batteriespeichern. Dies deutet auf ein großes Interesse privater Akteure an diesen Technologien hin.

Zudem hat die Bundesregierung auf der Weltklimakonferenz in Dubai im Dezember 2023 die Forderung unterstützt, den Ausstieg aus fossilen Energieträgern zu beschleunigen. Um die Abhängigkeit von Erdgas zu verringern, hat die Bundesregierung auch eine ambitionierte Wasserstoffstrategie beschlossen, wovon die ersten Projekte bereits umgesetzt werden. Dazu werden auch die langsam steigenden CO2-Preise beitragen, die fossile Energieträger langfristig weniger interessant machen. Eine lang erwartete Reform der Energiemärkte auf EU-Ebene verspricht 2024 ebenfalls Auftrieb für erneuerbare Energiequellen.

Politischer Wille ist also da, auch wenn die Umsetzung der Energiewende aktuell durch finanzielle Engpässe erschwert wird. Es bleibt spannend, wie die Bundesregierung in diesem Jahr klimafreundliche Technologien attraktiv machen und ihre Ausbaupläne umsetzen kann.

Mehr Insights über den Strommarkt erfahren Sie in unserem Live-Online-Training “Starterkit Stromwirtschaft” am 24. und 25. Januar 2024: Starterkit Stromwirtschaft | Energy Brainpool

Wie sah das Stromjahr 2022 aus? Hier geht’s zum Jahresrückblick 2022 Krieg, Gasknappheit und Extrempreise: 2022 wirft Energiemärkte aus der Bahn – Energy BrainBlog (energybrainpool.com)

Quellen:

www.energy-charts.info, Fraunhofer ISE (2023)

Bruno Burger für Fraunhofer ISE, Stromerzeugung in Deutschland im Jahr 2023, 10.01.2024, https://www.energy-charts.info/downloads/Stromerzeugung_2023.pdf

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Auf dem Prüfstand: Strompreisszenarien versus historische Spotpreise

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Sehen Sie hier einen Vergleich der historischen Spotpreise (Jahresdurchschnitt) mit den von Energy Brainpool für Deutschland seit 2013 veröffentlichten Strompreisszenarien (Jahreswerte):

Vergleich historischer Spotpreise und Szenarien (Quelle: Energy Brainpool)

Abbildung 1: Vergleich historischer Spotpreise und Szenarien (Quelle: Energy Brainpool)

Um den Vergleich korrekt zu interpretieren, sind einige Punkte zu berücksichtigen: Zum Kalibrieren unseres Energiemarkt-Modells Power2Sim nutzen wir für die Modellierung der nächsten drei Jahre aktuelle Commodity-Preise und vergleichen, ob unsere Ergebnisse mit den aktuellen Terminmarktpreisen am Strommarkt übereinstimmen.

Der Terminmarktpreis ist eine volatile Erwartung an den Spotpreis der Zukunft und verändert sich mit der Zeit. Eine Darstellung eines Stichtagwertes muss zwangsläufig von der Preisentwicklung über den Zeitverlauf abweichen. Denn kurzfristige Schwankungen von Wetter, Rohstoffpreisen, Nachfrage und Erzeugung können nicht berücksichtigt werden . Im Zeitraum 2013–2016 spiegeln die Verläufe unserer Strompreisszenarien daher die jeweiligen Terminmarktpreise wider und lagen über den tatsächlichen Spotpreisen. Seit 2016 veröffentlichen wir daher mehrere konsistente Entwicklungsszenarien als Was-Wäre-Wenn-Betrachtung, um so einen Lösungsraum aufzuzeigen.

Die verschiedenen Pfade basieren auf dem Wissen von heute, sind aber keine Prognosen. Dies gilt insbesondere für den liquiden Handelszeitraum (3 bis 5 Jahre in die Zukunft). Betrachten wir die historischen Spotpreise seit 2017. Dabei sieht man, dass diese sich tatsächlich im Rahmen des modellierten Preiskorridors befanden und auch in der Corona-Krise die Niedrigpreisszenarien nicht unterschritten wurden.

Lediglich die fundamental nicht zu erklärenden, extremen Preisspitzen durch den Russland-Ukraine-Konflikt gingen deutlich über die Werte der Strompreisszenarien hinaus. Sie liegen jedoch wieder innerhalb des seit 2013 modellierten Korridors. Man kann außerdem gut erkennen, wie der Terminmarkt bereits im vierten Quartal 2021 die damaligen Entwicklungen und Risiken berücksichtigt hat, sodass auch die Werte unserer Strompreisszenarien für 2022 bereits deutlich höher lagen.

Fazit: Die Grafik zeigt, dass die historischen Preise im Lösungsraum liegen, die die Strompreisszenarien von Energy Brainpool eröffnen. Ausnahme bilden die Extrempreise durch den Angriff auf die Ukraine.

Mehr Informationen zu den Strompreisszenarien finden Sie hier: Strompreisszenarien | Energy Brainpool

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EU Energy Outlook 2060: Wie bewegen sich Strompreise, Erzeugung und Nachfrage?

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Um die Ziele Modernisierung und Klimaneutralität zu erreichen, muss die Versorgungs- und Verbrauchsstruktur umgestellt werden. Dies stellt vor allem energieintensive Wirtschaftssektoren vor Herausforderungen. Welche Folgen haben diese Entwicklungen für die Strompreise, Erlöspotenziale und Risiken für Photovoltaik und Wind? Im aktuellen „EU Energy Outlook 2060“ zeigen wir langfristige Trends in Europa auf.

Energy Brainpool präsentiert im „EU Energy Outlook 2060“, wie sich Rohstoffpreise, der Kraftwerkszubau und die Stromnachfrage gestalten können. Darüber hinaus beleuchten die Analysten im Zusammenspiel dieser Faktoren diverse Pfade für die Entwicklung der Strompreise und des Energiemarktes bis zum Jahr 2060. Der Artikel erklärt und vergleicht die Entwicklungen in den Strompreisszenarien „Central“ und „GoHydrogen“: Diese Szenarien werden von den Energiemarktexperten vierteljährlich aktualisiert und sie gelten für die 27 EU-Länder sowie Norwegen, die Schweiz und Großbritannien.

Im Blogbeitrag zeigen wir die Durchschnittswerte für alle 30 Länder. Dennoch können sich die tatsächlichen Entwicklungen in den einzelnen Ländern signifikant von diesem verallgemeinerten Trend unterscheiden. Daher sind Modellierungen der einzelnen nationalen Märkte mit ihren spezifischen Einflussfaktoren sowie Sensitivitätsanalysen für mögliche einschneidende Veränderungen unbedingt ratsam. Nur so ist es möglich, fundiert zu entscheiden, um am Energiemarkt zu handeln.

Energy Brainpools Strompreisszenarien

Energy Brainpool hat derzeit vier Strompreisszenarien zur Auswahl. In Abbildung 1 werden die jeweiligen Trends der Szenarien im Hinblick auf Strom- und Gaspreise deutlich. Die Szenarien unterscheiden sich maßgeblich in den Annahmen zur Entwicklung der Commodity-Preise sowie des Kraftwerksparks und der flexiblen Stromnachfrage. Dadurch ergeben sich unterschiedliche Preispfade.

Als Quelle für die langfristigen Commodity-Preisannahmen in den Strompreisszenarien von Energy Brainpool dient der World Energy Outlook 2023 von der International Energy Agency mit den drei Commodity-Preisszenarien „Stated Policy“, „Announced Pledges“ und „Net Zero Emissions“.

Trends in den unterschiedlichen Szenarien, Energy Brainpool, 2024

Abbildung 1: Trends in den unterschiedlichen Szenarien (Quelle: Energy Brainpool, 2024)

Das „Central“-Szenario: Bedeutung von fossilem Erdgas nimmt ab

Für das „Central“-Szenario ist einer der zentralen Ausgangspunkte, dass Europa als Folge der aktuellen Spannungen mit Russland den Import von russischem Pipeline-Gas bis spätestens 2027 vollständig beendet. Für den Handel mit Erdgas bestimmt als Folge davon der Weltmarktpreis für LNG den Handelspreis. Fossiles Erdgas wird langfristig weniger relevant am Markt. Denn es wird zunehmend von synthetischen Kraftstoffen und sogenanntem „grünem“ Wasserstoff verdrängt. Insofern Erdgas nach 2040 noch für die Stromerzeugung genutzt wird, muss der Preis bei steigendem CO2-Preis entsprechend sinken, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

In diesem Szenario wird ein künftig stark dezentralisiertes Energiesystem modelliert. Demzufolge erlebt der Energiemarkt einen signifikanten Ausbau der Erneuerbaren. Das dient dazu, die Importabhängigkeit Europas bei fossilen Energieträgern zu vermindern und letztendlich zu beenden. Gleichzeitig ist ein Anstieg der flexiblen Stromnachfrage zu beobachten. Denn sowohl Elektrolyseure, die Wasserstoff produzieren als auch der Wärmesektor mit einer steigenden Anzahl von Wärmepumpen verzeichnen einen hohen Verbrauch. Darüber hinaus steigt der Anteil der Elektromobilität in Europa bei Personen- und Lastkraftwagen bis 2060 auf 95 Prozent.

Die Sensitivität „Central-Delayed EEG“: Ausbau der EE verlangsamt

Seit Anfang des Jahres 2024 modelliert Energy Brainpool zusätzlich zum etablierten „Central“-Szenario auch eine weitere Sensitivität. Konkret stellt diese ein Energiesystem mit einem verlangsamten Ausbau der erneuerbaren Energien dar. Seit dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine sind die allgemeinen Baukosten sowie die Kapitalkosten (WACC) enorm gestiegen. Gleichzeitig sind im Jahr 2023 die Strompreise signifikant gesunken. Dies zieht niedrigere Erlöse für erneuerbare Projekte nach sich.

Somit ergibt sich ein sogenanntes Missing-Money-Problem, das die Finanzierung der Energiewende betrifft und damit die Energiewende im Allgemeinen herausfordert. Dieses Missing-Money-Problem der Investoren sollte durch den Klima- und Transformationsfonds (KTF) der deutschen Bundesregierung eingedämmt werden.

Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts am 15. November 2023 fiel dieser Plan jedoch in sich zusammen. Denn die Mittel des KTF stehen nicht mehr in der nötigen Höhe zur Verfügung. Dieses Ereignis hat sich Energy Brainpool zum Anlass genommen, in der Sensitivität „Delayed EEG“ einen verspäteten Ausbau der erneuerbaren Energien zu modellieren. Bis 2050 sollten die Lücken zum Szenario „Central“ in den Ausbaustatistiken geschlossen werden.

Das „Tensions“-Szenario: Spannungen erhöhen sich

Im Szenario „Tensions“ ist die zentrale Annahme, dass die aktuellen Spannungen zwischen Russland und dem Westen auch die kommenden Jahre prägen werden und sich verschärfen. Vor diesem Hintergrund beendet Europa den Import von russischem Pipeline-Gas so früh wie möglich. Anschließend richtet sich der Erdgaspreis nach dem Weltmarktpreis für LNG. Die Nachfrage nach LNG ist jedoch auch in Asien sehr hoch. Genau deshalb entsteht ein starker Wettbewerb. Auch mittelfristig liegt der Erdgaspreis auf einem hohen Niveau.

Zugleich übersteigen die CO2-Preise in diesem Szenario die des „Central“-Szenarios. Mit diesen Kosten, wenn fossile Brennstoffe weiter zum Einsatz kommen, sollen zusätzliche Einnahmen in die Staatskassen fließen, um die Staatsschulden zu refinanzieren. Zudem sollen diese Gelder dabei helfen, die technologische Entwicklung beim Einsatz von Wasserstoff zu fördern.

Eine weitere Krise, die für dieses Szenario relevant ist, ist der Fachkräftemangel. Dieser zeigt sich zum Beispiel in Deutschland: Gerade wegen der fehlenden Fachkräfte aber auch durch unzureichende politische Förderung geht der Ausbau von Erneuerbaren langsamer voran als im „Central“-Szenario.

Das „GoHydrogen“-Szenario: eine Wasserstoff-Energiewelt

Der EU Green Deal gibt erstmals für die gesamte EU ein Ziel vor, um Klimaneutralität auf dem Kontinent bis zum Jahr 2050 zu erreichen. Trotz der klaren Zielsetzung bleibt unklar, mit welchen Maßnahmen genau das geschafft werden kann. Mit „GoHydrogen“ hat Energy Brainpool ein Szenario entwickelt, das eine tiefgreifende Umwandlung des Energiesystems modelliert, die zur Klimaneutralität führt.

Im Szenario „GoHydrogen“ wird eine zukünftige Energieversorgung Europas dargestellt, in der langfristig fossiles Erdgas durch Wasserstoff ersetzt wird. Das Potenzial von Wasserstoff, Energie zu liefern, wird in den unterschiedlichsten Sektoren ausgenutzt. So avanciert Wasserstoff zu einem der Hauptenergieträger.

Die Einsatzgebiete für Wasserstoff sind divers: Brennstoffzellen, klimaneutraler Stahl aus dem Direktreduktionsverfahren, stoffliche Nutzung in der chemischen Industrie und wasserstoffbasierte Heizsysteme zum Energieeintrag in bestimmte Wärmenetze sind nur einige Beispiele.

Aus dieser breit gefächerten Anwendung ergibt sich ein hoher Wasserstoffbedarf, der 2050 schon 2.200 TWhBrennwert übersteigen wird. Dieser Bedarf kann zu 50 % durch die heimische (europäische) Wasserstofferzeugung (überwiegend durch Elektrolyseure) gedeckt werden.

Neben dem zunehmenden Einsatz von Wasserstoff werden auch viele Anwendungen elektrifiziert. Besonders relevant wird dies für den privaten Verkehr, die Bereitstellung industrieller Prozesswärme und die Wärmeversorgung von Gebäuden. Daher wird die gesamte Stromnachfrage inklusive des Stromverbrauchs der Elektrolyseure, die in Europa Wasserstoff produzieren, signifikant steigen.

Bis 2050 ergibt sich daher eine jährliche europaweite Stromnachfrage von über 5.700 TWh. Dies stellt knapp eine Verdopplung des heutigen Stromverbrauchs dar. Um diesen Bedarf zu decken, produzieren vor allem Anlagen erneuerbarer Energien wie Onshore- und Offshore-Windkraftanlagen sowie Solaranlagen, aber auch „H2-fähige“ Gasturbinen große Mengen von Strom.

Der Wasserstoff kann aber nicht nur lokal produziert werden, sodass auch Wertschöpfungsketten zum Import des Brennstoffes bedeutend sind. Bezüglich des Wasserstoffimports bieten Regionen wie MENA, Subsahara-Afrika, Australien sowie Süd- und Nordamerika großes Exportpotenzial. Gerade die MENA-Länder befinden sich aufgrund umrüstbarer Erdgaspipelines und der geografischen Nähe zu Europa in einer Schlüsselposition. Daraus resultiert, dass viele bestehende Wertschöpfungsketten nur geringfügig umgestaltet werden müssten.

Weitere Informationen zum „GoHydrogen“-Szenario finden Sie in unserem Whitepaper speziell zu diesem Thema, welches Sie kostenfrei auf unserer Website herunterladen können.

Die Entwicklung der Rohstoffpreise in den unterschiedlichen Szenarien

Eine wichtige Datengrundlage für die Bepreisung von Brennstoffen und CO2 in den nächsten Jahren bilden die Preise am Terminmarkt. Insbesondere die Erdgaspreise sind seit dem Krisenjahr 2022 wieder deutlich gesunken. Sie bleiben jedoch auf einem höheren Niveau, als es im langfristigen Durchschnitt beobachtet wurde.

In Abbildung 2 wird der Verlauf des Future-Preises für Erdgas (TTF) für das Lieferjahr 2025 dargestellt. Für die kommenden Jahre erwartet der Terminmarkt einen weiteren Rückgang der Gas- und Steinkohlepreise, während bei den CO2-Preisen (EUA und UKA) von leicht steigenden Preisen ausgegangen wird.

Future-Preise Gas-TTF, Energy Brainpool, Strompreise EU

Abbildung 2: Future-Preise Gas-TTF (Quelle: ICE, 2024)

In den Strompreisszenarien von Energy Brainpool wird modelliert, dass sich der Erdgaspreis in Europa mittelfristig am Weltmarktpreis für LNG orientiert. Dabei kristallisiert sich das US-amerikanische LNG als wichtigste Importquelle für Europa heraus, weshalb dieses als preissetzend angenommen wird. Am Markt entspricht der Exportpreis für US-LNG historisch dem Benchmark-Preis für Erdgas am US-amerikanischen Handelsplatz Henry Hub.

Zudem muss ein Aufschlag für den Transport innerhalb der USA sowie für die Verflüssigung von Erdgas für den Transport als LNG berücksichtigt werden. Um den Preis für US-amerikanisches LNG als Importware in Europa zu modellieren, dürfen auch die Kosten für Fracht und Regasifizierung in Europa nicht vergessen werden, bevor das LNG für den Markt nutzbar wird. In Abbildung 3 werden die einzelnen Kostenkomponenten auf Basis der „Price Forward Curve“ des Henry Hub und der mittleren Annahmen für die Kosten von Verflüssigung, Fracht und Regasifizierung dargestellt.

Unter Berücksichtigung von Wechselkurs- und Inflationsannahmen ergibt sich für das „Central“-Szenario ein Erdgaspreis von 22,30 EUR2022/MWh. Dieser Preis wird im Szenario als Annahme für das Jahr 2030 genutzt. Im Vergleich zum aktuellen World Energy Outlook 2023 der IEA (IEA, 2023) [1] liegt er um ca. 3 EUR/MWh über dem Wert, der im „Announced Pledges Scenario“ (APS) für den Erdgaspreis in Europa für 2030 angenommen wird. Im APS werden nur die Emissionsreduktionen realisiert, zu denen sich die Regierungen in Form von „Pledges“ bereits verpflichtet haben.

Eine vergleichbare Annahme liegt dem „Central“-Szenario zugrunde, wo die festgelegten gesetzlichen Ziele für den Zubau erneuerbarer Energien und für die Emissionsreduktion als Annahmen übernommen werden.

Kostenkomponenten am Weltmarkt LNG, Energy Brainpool, Strompreise EU

Abbildung 3: Kostenkomponenten am Weltmarkt LNG (Quellen: US Office of Fossil Energy and Carbon Management, 2023)

Die Berechnung des Erdgaspreises für die Szenarien „Tensions“ und „GoHydrogen“ folgt dem gleichen Prinzip. Hier werden jedoch anstelle der mittleren Aufschläge für Transport und Verflüssigung auf den aktuellen Future-Preis für US-amerikanisches Erdgas jeweils die maximalen bzw. minimalen Aufschläge herangezogen, die über die letzten vier Jahre beobachtet werden konnten.

In Abbildung 4 werden die Szenariopunkte für den Erdgaspreis in den Jahren 2030 und 2050 veranschaulicht, die sich aus den oben beschriebenen Annahmen ergeben. Hier werden nur „Central“, „Tensions“ und „GoHydrogen“ beleuchtet, da „Central–Delayed EEG“ die Annahmen bezüglich des Erdgaspreises mit dem „Central“-Szenario teilt und daher die gleichen Preise nutzt. Zudem werden die Annahmen aus den Szenarien des World Energy Outlook 2023 – neben APS außerdem noch das „Stated Policies Scenario“ (STEPS) und das „Net Zero Emissions by 2050“ (NZE) dargestellt, um einen Vergleich zu ermöglichen.

In allen EBP-Szenarien wird für 2030 ein höherer Erdgaspreis angenommen als von der International Energy Agency. Für 2030 wird wie oben beschrieben das durchschnittliche, minimale und maximale Niveau des prognostizierten LNG-Weltmarktpreises als Modellierungsgrundlage genutzt. Danach folgen die Preisannahmen für die „Central“-, „Central-Delayed EEG“- und „GoHydrogen“-Szenarien bis 2040 der gleichen Tendenz wie das „Announced Pledges“-Szenario der IEA. Im „Tensions“-Szenario stagniert der Erdgaspreis im Gegensatz dazu bis 2040 mit nur geringen Schwankungen.

Langfristig verändern sich die Gasmärkte weltweit deutlich, da erwartungsgemäß mehr und mehr Anwendungen von fossilem Erdgas mit Wasserstoff bewältigt werden. Dieser kann durch eine energieintensive Elektrolyse lokal in Europa produziert werden oder importiert werden, wobei vor allem MENA, Amerika und Ozeanien sich als zukünftige Exporteure positionieren.

Dieser „grüne“ Wasserstoff wird ebenso wie Erdgas Handel am Weltmarkt erleben und durch eine zunehmende Etablierung spätestens ab 2040 mit dem „Clean Gas Price“ im Wettbewerb stehen. Mit dem „Clean Gas Price“ ist hier eine Kennzahl gemeint, für die der Preis für Erdgas oder vergleichbare gasförmige Brennstoffe nach Addition des EUA-Preises mit dem Erdgas-Emissionsfaktor von 0,2 tCO2/MWhth multipliziert wird.

Durch das zunehmende Bewusstsein für Emissionen und Kosten für die Allgemeinheit, die bei fossilen Brennstoffen ursprünglich nicht mit eingepreist wurden, erhöht sich der Preisdruck auf Erdgas nach 2040. Somit wird Wasserstoff sukzessive attraktiver als Erdgas und nimmt einen immer größeren Marktanteil ein.

Bis 2050 kommt der Erdgaspreis im „Tensions“-Szenario dem Preisniveau im „Stated Policies“-Szenario der IEA nahe. Währenddessen nähert sich der Erdgaspreis in den „Central“- und „Central-Delayed EEG“-Szenarien an das Preisniveau aus dem „Announced Pledges“-Szenario der IEA. Das „GoHydrogen“-Szenario zeigt, wie der Name schon vermuten lässt, eine Welt, in der das Angebot für Wasserstoff auf dem Weltmarkt deutlich größer und der Preis damit niedriger ist als in den anderen Szenarien. Dementsprechend ergibt sich in diesem Szenario langfristig ein Preis für gasförmige Brennstoffe, der auch das Niveau des „Net Zero Emissions“-Szenario der IEA unterschreitet.

Erdgas-Preis im World Energy Outlook und in den EBP-Strompreisszenarien, Energy Brainpool, Strompreise EU

Abbildung 4: Erdgas-Preis im World Energy Outlook und in den EBP-Strompreisszenarien (Quelle: IEA World Energy Outlook, 2023; Energy Brainpool, 2024)

Um die mittel- und langfristigen Commodity-Preise für Steinkohle, Erdöl und CO2-Zertifikaten von 2030 bis 2060 in das Strompreismodell einzubeziehen, übernimmt Energy Brainpool die Annahmen des aktuellen World Energy Outlook der IEA. Diese sind für Steinkohle und EUAs in den Abbildungen 5 und 6 dargestellt.

Im Vergleich zum vorherigen World Energy Outlook haben die Kohlepreise sich nach oben bewegt. Dies ergibt sich aus dem schwinden Angebot durch die russische Invasion der Ukraine sowie weiterhin hoher Nachfrage vor allem in Indien und China. Hingegen verändern  sich die CO2-Preise nur im „Stated Policies“-Szenario der IEA. Langfristig zeigt der Kohlepreis in allen drei Szenarien einen Abwärtstrend. Demgegenüber steigt der CO2-Preis stetig.

Steinkohle-Preis im World Energy Outlook, Energy Brainpool, Energy Brainpool, Strompreise EU

Abbildung 5: Steinkohle-Preis im World Energy Outlook (Quelle: IEA World Energy Outlook, 2023)

CO2-Preis im World Energy Outlook, Energy Brainpool, Strompreise EU

Abbildung 6: CO2-Preis im World Energy Outlook (Quelle: IEA World Energy Outlook, 2023)

Wie verändert sich der europäische Kraftwerkspark in den kommenden Jahrzehnten?

Historisch hatten viele europäische Länder vor allem auf fossile Erzeugungskapazitäten gesetzt, um ihren Energiebedarf zu decken. Viele dieser Kraftwerke sind jedoch inzwischen alt und werden schrittweise vom Markt genommen. Gleichzeitig hat ein gewachsenes Bewusstsein für den Klimawandel dazu beigetragen, dass für die vielen rückzubauenden fossilen Kraftwerke nur wenige fossile Kraftwerke neu gebaut werden.

So haben sich mittlerweile nahezu alle EU-Staaten, in denen heute noch Strom aus Kohle erzeugt wird, zu einem Kohleausstieg entschlossen. So wollen sie negative Auswirkungen der hohen CO2-Emissionen begrenzen: Darüber hinaus haben einige ihren Kohleausstieg bereits in die Tat umgesetzt. Für die Zukunft stehen diverse konventionelle und erneuerbare Technologien bereit: Gaskraftwerke, erneuerbare Energien und in einigen Märkten Kernkraftwerke.

Ein großes Wachstumspotenzial lässt sich vor allem für Windkraft und Photovoltaik feststellen. Aufgrund gesunkener Investitionskosten und ohnehin niedrige Betriebsausgaben spielen sie eine preissenkende Rolle im Wettbewerb. Gerade im PPA-Bereich besteht großes Interesse an den Anlagen erneuerbare Energien, insbesondere an Solaranlagen. Jedoch ist zu erwarten, dass diese Anlagen zunehmend wirtschaftlich unter Druck geraten. Hintergrund ist der geplante signifikante Zubau bis Mitte des Jahrhunderts, der zu einem Kannibalisierungseffekt führt – im Zuge, dessen die Capture-Preise für Windparks und Solaranlagen sinken.

Im „Central“-Szenario steigt der Anteil der fluktuierenden erneuerbaren Energien (feE) bis in das Jahr 2050 auf rund drei Viertel der gesamten Angebotsleistung (vgl. Abbildung 7). Zudem senkt ihre oft gleichzeitige Stromerzeugung den stündlichen Strompreis immer öfter und immer stärker.

Alle erneuerbaren Technologien (ohne mit Wasserstoff betriebene Gasturbinen) zusammen haben einen Anteil von deutlich über 80 Prozent am Kraftwerkspark. Das Szenario „GoHydrogen“ modelliert einen verstärkten Zubau an erneuerbaren Anlagen. Damit werden die installierten Erzeugungskapazitäten in Europa bis zum Jahr 2060 3500 GW deutlich übersteigen. Im Vergleich zum „Central“-Szenario werden vor allem mehr Solar- und Windkraftanlagen gebaut. Diese machen schon 2050 mehr als 80 % der gesamten Erzeugungskapazitäten aus.

installierte Erzeugungskapazitäten nach Energieträger im „Central“- und im „GoHydrogen“-Szenario in EU 27, zzgl. NO, CH und UK, Energy Brainpool

Abbildung 7: installierte Erzeugungskapazitäten nach Energieträger im „Central“- und im „GoHydrogen“-Szenario in EU 27, zzgl. NO, CH und UK (Quellen: Energy Brainpool, 2024; EU Reference Scenario, 2021; entso-e, 2024)

Vor allem Gaskraftwerke stehen aktuell häufig im Fokus, wenn das Thema Versorgungssicherheit diskutiert wird. Sie bieten den Vorteil, dass sie sehr flexibel steuerbar sind und geringere Emissionen als Kohlekraftwerke verursachen. Zudem sind sie selbst mit Carbon Capture and Storage (CCS) nicht sauberer als Gaskraftwerke. In modernen, „H2-fähigen“ Gasturbinenkraftwerken können statt fossilem Erdgas auch Wasserstoff und andere synthetische gasförmige Brennstoffe verbrannt werden. Damit zeigen sich Gasturbinen und GuD-Kraftwerke langfristig nicht mehr als fossile Stromerzeuger. Sondern sie werden zumindest teilweise als „emissionsfreie“ Kraftwerke gewertet.

Das macht sie auch dafür interessant, die Energiewende umzusetzen. Erst im Februar 2024 hat die deutsche Bundesregierung eine Kraftwerksstrategie veröffentlicht, nach der unter anderem der Bau von H2-fähigen Gaskraftwerken vorangetrieben werden soll. So soll ausreichend Leistung für einen Kohleausstieg bis 2030 in Deutschland gesichert werden.

Bereits vor der Bekanntgabe der Kraftwerksstrategie hatte Energy Brainpool diesen Ausbaupfad der Gaskapazität in den Strompreisszenarien (bis 2030 ca. 45 GW Gaskraftwerke) modelliert. Mit der neuen Kraftwerksstrategie wird klar, dass Gaskraftwerke auch auf lange Sicht eine wichtige Größe in der Stromerzeugung bleiben. Eine detaillierte Diskussion der Kraftwerksstrategie und ihrer Implikationen finden Sie in einem Blogartikel über dieses Thema.

Mit Gas- und Kernkraftwerken erhöht sich der Anteil der emissionsfreien Erzeugungskapazitäten in 2050 im „Central“-Szenario auf 99 Prozent. Auch im „GoHydrogen“-Szenario bleiben moderne, „H2-fähige“ Gasturbinenkraftwerke relevant, welche neben fossilem Erdgas vor allem auch Wasserstoff und andere synthetische gasförmige Brennstoffe verbrennen. Diese gelten somit nicht mehr notwendigerweise als fossile Stromerzeuger, sondern werden zumindest teilweise zu den „emissionsfreien“ Kraftwerken gerechnet. So werden bis 2050 praktisch alle Erzeugungskapazitäten in diesem Szenario emissionsfrei sein.

Neu in diesem Quartalsupdate zeigen die Szenarien „Tensions“ und „Central-EEG Delayed“ die Folgen einer unzureichenden Kapazitätserweiterung im Gassektor und somit eines verzögerten Kohleausstiegs bis 2038. Damit ist es Energy Brainpool gelungen, die Auswirkungen auf den Baseload-Preis sowie die Capture-Preise der Erneuerbaren quantitativ zu untersuchen. Mittelfristig würde ein verzögerter Kohleausstieg zu etwas niedrigeren Preisen bei deutlich höheren Emissionen führen. Langfristig liegen die Strompreise jedoch höher als im „Central“-Szenario.

Im Zuge des Kohleausstiegs verringern sich die Kapazitäten von Kohlekraftwerken im „Central“-Szenario um über 80 Prozent bis 2050 und um über 90 Prozent bis 2060. Nach dem Abschalten der letzten deutschen Kernkraftwerke im vergangenen Jahr zeigt sich im „Central“-Szenario ein weiterer Rückgang der installierten Leistung in Form von Kernkraft bis 2050 in Europa. Somit fällt der Anteil der Erzeugungskapazität steuerbarer, thermischer Kraftwerke (inklusive Gas) in Europa von aktuell rund 40 Prozent bis 2050 um mehr als die Hälfte.

In der Modellierung für Frankreich hat Energy Brainpool in diesem Quartalsupdate eine die Kernkapazität gemäß dem Gesetzesentwurf „Energy Sovereignty Bill“ angepasst. Der Entwurf sieht vor, dass die Laufzeit der bestehenden französischen Kernkraftblöcke nach 2030 verlängert wird und im Laufe der 2030er-Jahre neue Blöcke zugebaut werden. Dies bedeutet, dass die Kernkraft weiterhin eine tragende Säule der Dekarbonisierung der französischen Energieversorgung bleibt. Währenddessen werden die zuvor gesetzten Ziele des Ausbaus der erneuerbaren Energien nicht weiter verfolgt. Die zusätzlichen Erzeugungsmengen in der Modellierung führen zu niedrigeren Strompreisen in Frankreich und auch in vielen benachbarten Gebotszonen/Ländern wie z. B. in Spanien, Portugal und Belgien. Es bleibt jedoch fraglich, ob der Zubau fristgerecht und ohne massive staatliche Subventionen realistisch ist.

Die Veränderungen im Kraftwerkspark haben neben den Emissionen auch einen Effekt auf die Struktur der Strompreise. Diese sind zunehmend durch fluktuierende erneuerbare Energien geprägt und weisen dadurch eine größere Volatilität auf. Im „GoHydrogen“-Szenario werden Kern- und Kohlekraftwerke auf dem gleichen Pfad wie im „Central“-Szenario zurückgebaut.

Durch einen verstärkten Zubau Anlagen-Erneuerbarer-Energien reduziert sich der Anteil der Erzeugungskapazität steuerbarer, thermischer Kraftwerke (inklusive Gas) im „GoHydrogen“-Szenario jedoch von aktuell rund 40 Prozent auf etwa 12 Prozent bis zum Jahr 2050. Dadurch werden die Strompreise in diesem Szenario noch stärker durch die fluktuierenden erneuerbaren Energien geprägt als im „Central“-Szenario.

Wachsende Stromnachfrage bis 2060 bedingt Veränderungen in der Stromerzeugung

Für die Stromnachfrage werden im „Central“-Szenario Anstiege um circa 64 Prozent bis 2050 und um circa 71 Prozent bis 2060 modelliert (siehe Abbildung 8). Der Strombedarf erhöht sich vor allem durch:

  • die zunehmende Nutzung von Wasserstoff (Verbreitung der Brennstoffzellen-Technologie im Transportbereich und vermehrte Nutzung von Wasserstoff in der Stahlerzeugung und in der chemischen Industrie), wofür in den nationalen Wasserstoffstrategien der einzelnen Länder Ziele definiert werden,
  • die vermehrte Elektrifizierung von diversen Energiedienstleistungen in Haushalten (insbesondere durch die Verbreitung von Wärmepumpen und sonstigen elektrischen Wärmeanwendungen für die Bereitstellung von Warmwasser und Raumwärme),
  • sowie den Anstieg der Elektromobilität.

Die politischen Pläne, die von der Europäischen Kommission in einem Referenzszenario entwickelt wurden, sehen vor, dass das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahrzehnten hauptsächlich im tertiären Sektor stattfinden wird. Denn hier wird eine deutliche Zunahme der Stromnachfrage erwartet. Auch wenn die Industrie traditionell sehr energieintensiv ist, helfen hier Effizienzsteigerungen, dass die Stromnachfrage für diesen Sektor signifikant steigt.

Elektrifizierung spielt eine wichtige Rolle in „GoHydrogen“-Szenario, in dem sowohl für Haushaltsanwendungen als auch für den Verkehr eine höhere Stromnachfrage modelliert wird. Dies bedeutet, dass sich die Stromnachfrage allgemein erhöht. Auch die vermehrte Verwendung von Wasserstoff, vor allem in der Industrie und im Verkehr, die dieses Szenario prägt, zieht einen höheren Stromverbrauch nach sich. Dieser ergibt sich aus der Produktion von Wasserstoff mittels Elektrolyseuren, die eine hohe flexible Stromnachfrage mit sich bringen. In der Summe von inflexibler und flexibler Nachfrage wird die Stromnachfrage des „GoHydrogen“-Szenarios aus diesen Gründen die des „Central“-Szenarios im Jahr 2050 um rund 1000 GW übersteigen.

Bruttostromerzeugung und -nachfrage nach Energieträgern im „Central“- und im „GoHydrogen“-Szenario in EU 27, zzgl. NO, CH und UK, Energy Brainpool

Abbildung 8: Bruttostromerzeugung und -nachfrage nach Energieträgern im „Central“- und im „GoHydrogen“-Szenario in EU 27, zzgl. NO, CH und UK (Quellen: Energy Brainpool, 2024; EU Reference Scenario, 2021; entso-e, 2024)

Zunächst fällt auf, dass in beiden Szenarien die produzierte Strommenge aus Kohlekraftwerken stark fällt. Schon bis 2030 sinkt sie um über 70 Prozent. Anschließend bis 2050 fällt sie sogar um über 90 Prozent im „Central“-Szenario und im „GoHydrogen“-Szenario noch etwas stärker. Die Stromproduktion aus Gaskraftwerken bleibt hingegen bis zum Jahr 2050 nahezu konstant.

Im „Central“-Szenario kommt im Jahr 2050 über drei Viertel der Stromerzeugung von erneuerbaren Energien. Dabei machen Wind- und Solaranlagen mit knapp über 60 Prozent den größten Anteil aus. Die Bedeutung der erneuerbaren Energieträger ist im „GoHydrogen“-Szenario noch höher, wo 2050 etwas über 80 Prozent des Stroms von erneuerbaren Anlagen bereitgestellt werden wird – davon der Großteil von Wind- und Solaranlagen. Die restlichen Strommengen aus erneuerbaren Energien werden durch steuerbare erneuerbare Energien wie zum Beispiel Biomassekraftwerke oder Speicherseen bereitgestellt, wenn Wind und Sonne nicht die nötige Energie liefern.

Neben erneuerbaren Energien sind auch andere emissionsfreie Energieträger relevant, die im „Central“-Szenario 2050 fast 20 % des erzeugten Stroms liefern. Mehr als die Hälfte davon kommt aus Kernkraftwerken. Einen anderen sehr wichtigen Anteil stellen Gaskraftwerke, wo grüner, emissionsfrei hergestellter Wasserstoff verbrannt wird. So werden im „Central“-Szenario 2050 deutlich über 90 % des Stroms emissionsfrei erzeugt. Kernkraftwerke stellen im „GoHydrogen“-Szenario zwar absolut gesehen gleich viel Strom zur Verfügung wie im „Central“-Szenario. Dennoch ergibt sich durch die höhere gesamte Erzeugungskapazität für sie ein niedrigerer prozentualer Anteil an der Stromerzeugung.

Bei den Gasturbinen unterscheidet sich zwischen den Szenarien, wie viel der Stromproduktion emissionsfrei mit Wasserstoff bewältigt wird. Im „GoHydrogen“-Szenario werden so 2050 nahezu 100 Prozent des Stroms emissionsfrei erzeugt.

Die zukünftige Entwicklung der durchschnittlichen Strompreise

Wie entwickelt sich der Baseload-Preis in den kommenden Jahrzehnten? Er beschreibt den ungewichteten Durchschnittspreis für Strom am Day-Ahead-Spotmarkt über alle Stunden eines Jahres? Alle der Modellierung zugrunde liegenden Annahmen, die bisher diskutiert wurden, von Rohstoff- und CO2-Preisen über die Veränderungen im Kraftwerkspark und die Entwicklung der Stromnachfrage spielen hierbei eine Rolle. Aus der Analyse der einzelnen Faktoren ergibt sich die Einschätzung der zukünftigen Strompreise. Die Entwicklung der durchschnittlichen Strompreise in den verschiedenen Szenarien ist in Abbildung 9 dargestellt.

Entwicklung der realen Strompreise in den jeweiligen Szenarien, Energy Brainpool

Abbildung 9: Entwicklung der realen Strompreise in den jeweiligen Szenarien (Quelle: Energy Brainpool, 2024)

Auf den Terminmärkten hat sich die Marktlage in den vergangenen Monaten merklich entspannt, sodass auch die Strompreise einem Abwärtstrend folgen. Im Zuge des voranschreitenden Ausbaus von Wind- und Solarparks nimmt zudem die Einspeisung aus erneuerbaren Quellen zu. Dies drückt die Preise ebenfalls nach unten. Dadurch bedingt gibt es zunehmend Stunden mit geringen und – in Ländern mit Fördersystemen für erneuerbare Energien oder ausgeprägten „Must Run“-Kapazitäten – häufig auch mit negativen Strompreisen.

Gleichzeitig werden auch konventionelle Kapazitäten zurück gebaut. Währenddessen befinden sich neue regelbare Kraftwerke noch im Bau. Und auch bei den CO2-Preisen wird in den kommenden Jahren ein Anstieg vermutet. Daraus ergibt sich, dass die realen Strompreise im „Central“-Szenario zwischen 2030 und 2060 leicht zunehmen, mit einem deutlicheren Anstieg zum Ende dieses Jahrzehnts und einem langsameren Anstieg in den 2040er-Jahren.

Das „GoHydrogen“-Szenario zeigt hingegen einen deutlicheren Rückgang der Strompreise ab 2035. Daraufhin pendelt sich der Preis mit gewissen Schwankungen bis 2060 auf einem dauerhaft niedrigeren Niveau ein, ggü. dem „Central“-Szenario. In diesem Szenario gibt es höhere Einspeisungen aus Wind- und Solaranlagen. Diese führen zu mehr Stunden mit geringen und negativen Preisen als im „Central“-Szenario.

Im Vergleich zur letzten Ausgabe des EU Energy Outlooks vom November 2023 sind die Strompreise in einigen Ländern leicht gesunken. Dies resultiert vor allem aus den  geänderten Ausbaupläne bei konventionellen wie auch erneuerbaren Energieträgern. In Abbildung 10 werden zudem die nominalen Baseload-Preise gezeigt. Sie unterscheiden sich von den realen Preisen nur durch die Einbeziehung eines Inflationsfaktors.

Entwicklung der nominalen Strompreise in den jeweiligen Szenarien, Energy Brainpool

Abbildung 10: Entwicklung der nominalen Strompreise in den jeweiligen Szenarien (Quelle: Energy Brainpool, 2024)

Die Mittelwerte für 30 Länder, die bisher in der Betrachtung der Strompreise beleuchtet wurden, verstecken jedoch zum Teil große Abweichungen zwischen den einzelnen europäischen Ländern. Die in Abbildung 11 dargestellten Schwankungsbreiten geben Aufschluss darüber, wie groß die Spannbreite zwischen unterschiedlichen Märkten ist. Aufgrund der Entwicklung der Commodity-Preise in den kommenden Jahrzehnten verzeichnen insbesondere Länder mit einem geringen Ausbau von erneuerbaren Energien einen stärkeren Anstieg der Strompreise.

jährliche Baseload-Preise und Schwankungsbreite nationaler Einzelmärkte ausgewählter Staaten in Europa im Durchschnitt, Energy Brainpool

Abbildung 11: jährliche Baseload-Preise und Schwankungsbreite nationaler Einzelmärkte ausgewählter Staaten in Europa im Durchschnitt (Quelle: Energy Brainpool, 2024)

Wer die Strompreise auf monatlicher Basis analysiert, dem fällt schnell auf, dass der Strommarkt einer Dynamik geprägt von saisonalen Schwankungen folgt (siehe Abbildung 12). Aufgrund der niedrigen Temperaturen und des geringeren Sonnenlichts im Winter zeigen die Analysen steigende Preise, wohingegen die Strompreise im Sommer deutlich niedriger ausfallen.

Dieser Effekt wird durch den steigenden Anteil solarer Stromerzeugung verstärkt. Demzufolge werden die saisonalen Preisunterschiede zukünftig zunehmen. Im „GoHydrogen“-Szenario tritt diese Dynamik noch deutlicher hervor. Denn hier wird eine größere Erzeugungskapazität in Solarparks angenommen. Der Effekt wird dadurch verstärkt, dass im „GoHydrogen“-Szenario im Zuge der verstärkten Elektrifizierung auch Wärmepumpen stärker in den Fokus rücken. Diese sorgen vor allem im Winter für eine höhere Stromnachfrage. Dadurch zeigt sich in diesem Szenario eine ausgeprägtere Saisonalität als im „Central“-Szenario.

monatliche Baseload-Preise im Durchschnitt, Energy Brainpool

Abbildung 12: (Quelle: Energy Brainpool, 2024)

Welche Erlöse sind für Windkraftanlagen möglich?

Der durchschnittliche mengengewichtete Strompreis, den Wind- und PV-Anlagen über das Jahr gerechnet am Spotmarkt erzielen können, ist eine der wichtigsten Kennzahlen für erneuerbare Energien. Von Fachleuten wird er auch als Vermarktungswert bezeichnet. Die Berechnung stützt sich nur auf Erzeugungsstunden, in denen die Strompreise nicht negativ waren, schließt aber den Strompreis von 0 EUR/MWh nicht aus.

Hingegen stellt die Vermarktungsmenge den Anteil der erzeugten Strommengen in diesen Stunden an der gesamten Erzeugungsmenge dar. Auf Basis dieser beiden Kennzahlen kann man den Capture-Preis berechnen. Dieser wird als Produkt aus Vermarktungswert und Vermarktungsmenge gebildet. Der Capture-Preis spiegelt also den durchschnittlichen Jahreserlös am Strommarkt für die gesamte Erzeugungsmenge wider. Für erneuerbare Energien sind diese Kennzahlen besonders deshalb wichtig, weil sie eine Evaluierung der Erlöspotenziale von fluktuierenden erneuerbaren Energien am Strommarkt möglich machen.[1]

Aus Abbildung 13 wird erkenntlich, dass die Capture-Preise für Windkraftanlagen in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts nach einem langsamen Verfall merklich ansteigen werden. Dieser Preispfad folgt der erwarteten Entwicklung der Baseload-Preise, die zunächst von fallenden Rohstoffpreisen und später von steigenden EUA-Preisen getrieben werden.

Langfristig werden aber vor allem für erneuerbare Energiequellen steigende Kapazitäten angenommen. Die parallele Erzeugung durch eine höhere Anzahl von Anlagen verringert die Strompreise in diesen Stunden (Kannibalisierungseffekt). Dies führt für das „Central“-Szenario bis 2040 zu einem langsamen Rückgang der Capture-Preise. Ab 2040 wird es wieder zu einem moderaten Anstieg kommen, bedingt durch die zunehmende flexible Stromnachfrage.

Im „GoHydrogen“-Szenario zeigt sich hingegen ein stärkerer Rückgang zwischen 2035 und 2040, bevor sich die Capture-Preise ab 2040 mit leichten Schwankungen auf einem Niveau einpendeln. Im „GoHydrogen“-Szenario ergeben sich insgesamt niedrigere Preise, inklusive Capture-Preise, weil die Kapazitäten durch einen verstärkten Zubau erneuerbarer Anlagen mehr wachsen als im „Central“-Szenario.

Capture-Preise für Wind in ausgewählten europäischen Staaten im Durchschnitt, Energy Brainpool

Abbildung 13: Capture-Preise für Wind in ausgewählten europäischen Staaten im Durchschnitt (Quelle: Energy Brainpool, 2024)

Positive Erlöse werden vor allem dann möglich, wenn steuerbare fossile Kraftwerke den Preis setzen. Auch wenn selbst zu dieser Zeit große Kapazitäten von erneuerbaren Energien aktiv am Markt vorhanden sind. Die Schwankungsbreite der Märkte gibt ein Anzeichen dazu, wie unterschiedlich die landesspezifischen durchschnittlichen Erlösmöglichkeiten von Windenergieanlagen in Europa sind. Das kann an geografischen und ökonomischen Gegebenheiten und auch am Fortschritt des Zubaus erneuerbarer Energien liegen.

Welche Erlöse können Photovoltaik-Anlagen (Solar) erzielen?

Sowohl Vermarktungswerte als auch Capture-Preise weisen für Photovoltaik-Anlagen im „Central“- wie auch im „GoHydrogen“-Szenario einen steileren Abwärtstrend auch als für Windkraftanlagen (vgl. Abbildung 14). Das lässt sich dadurch erklären, dass der Ausbau von Photovoltaik-Kapazitäten in vielen Ländern deutlich weiter vorangeschritten ist als der Zubau von Wind-Kapazitäten.

Zudem lässt sich bei Solarenergie ein stark ausgeprägter Kannibalisierungseffekt beobachten, da die Strompreise – und damit die Erlöse – stark sinken, wenn viel Solarstrom erzeugt wird, gerade an langen Sommertagen. In der Preisentwicklung im „GoHydrogen“-Szenario zeigt sich durch die höheren Kapazitäten in der Windkraft ein niedrigerer Strompreis. Dieser führt bereits in der zweiten Hälfte der 2030er-Jahre zu niedrigeren Capture-Preisen für Solaranlagen als im „Central“-Szenario.

Capture-Preise für Solar in ausgewählten europäischen Staaten im Durchschnitt, Energy Brainpool

Abbildung 14: Capture-Preise für Solar in ausgewählten europäischen Staaten im Durchschnitt (Quelle: Energy Brainpool, 2024)

Die große Schwankungsbreite der Solar-Vermarktungswerte in den Einzelstaaten zeigt, wie stark die Erlösmöglichkeiten variieren. Jedoch ist der Vermarktungswert längst nicht die einzige Kennzahl, die für eine Bewertung der Profitabilität einer Solaranlage herangezogen werden sollte. In sonnenreichen Ländern ergibt sich eine hohe Auslastung, welche über die große Menge auch bei geringen Vermarktungswerten zu hohen Erlösen führen kann.

Zunahme der Preisvolatilität im Detail

Über die kommenden Jahrzehnte hinweg werden einige Marktentwicklungen in der Energiebranche erwartet. Diese führen zu einem deutlichen Anstieg der Preisvolatilität. In der Abbildung 15 wird die Preisvolatilität mithilfe von Boxplots dargestellt. Diese stellen die jährlichen Baseload-Preise und die Quantile der Stundenpreise im jeweiligen Jahr dar.

Entwicklung der nachfragegewichteten Baseload-Preise und Quantile der Stundenpreise ausgewählter EU-Staaten im „Central“-Szenario, Energy Brainpool

Abbildung 15: Entwicklung der nachfragegewichteten Baseload-Preise und Quantile der Stundenpreise ausgewählter EU-Staaten im „Central“-Szenario (Quelle: Energy Brainpool, 2024)

Mit der Kohlekraft verabschiedet sich ein fossiler Energieträger mit vergleichsweise niedrigen Stromgestehungskosten aus der Merit Order. Auf der anderen Seite werden die erneuerbaren Energieträger sowie die steuerbaren H2-fähigen Gaskraftwerke zunehmend zu zwei Optionen mit wenigen Alternativen, für die signifikant unterschiedliche Stromgestehungskosten charakteristisch sind.

Je nachdem, ob die Stromnachfrage hoch oder niedrig ist, werden entweder die steuerbaren H2-fähigen Gaskraftwerke oder die fluktuierenden Anlagen-Erneuerbarer-Energien den Strompreis bestimmen. Daher treten Extrempreise in Zukunft häufiger auf und werden die Strompreisstruktur des Day-Ahead-Marktes prägen. Dadurch steigt das Erlöspotenzial für Speicheranlagen, und insbesondere Batteriespeicher werden wirtschaftlich immer attraktiver.

Autoren: Elena Dahlem, Huangluolun Zhou, Dr. Alex Schmitt

 

[1] EU, 2021: EU reference scenario 2020: Energy, transport and GHG emissions – trends to 2050 [online]
https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/96c2ca82-e85e-11eb-93a8-01aa75ed71a1/language-en/format-PDF/source-219903975 [zuletzt abgerufen am 07.04.2024].

[2] IEA, 2023: World Energy Outlook [online]
https://iea.blob.core.windows.net/assets/66b8f989-971c-4a8d-82b0-4735834de594/WorldEnergyOutlook2023.pdf [zuletzt abgerufen am 07.04.2024].

[3] entso-e, 2024 [online] https://tyndp.entsoe.eu/ [zuletzt abgerufen am 07.04.2024].

[4] US Office of Fossil Energy and Carbon Management, 2023 [online] https://www.energy.gov/fecm/listings/lng-reports [zuletzt abgerufen am 07.04.2024].

[1] Siehe auch White Paper „Bewertung der Strommarkterlöse von Anlagen fluktuierender erneuerbarer Energien“. https://www.energybrainpool.com/de/downloads?utm_source=Blog&utm_medium=Download&utm_id=Energy+Outlook+2023

[2] Siehe https://blog.energybrainpool.com/erloespotenziale-fuer-batteriespeicher-am-strommarkt-aktuelle-entwicklungen/

 

Der Beitrag EU Energy Outlook 2060: Wie bewegen sich Strompreise, Erzeugung und Nachfrage? erschien zuerst auf Energy BrainBlog.

Der Wetterschwarm: Strompreisszenarien, Wetter und der Klimawandel

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Mit diesem können für unterschiedliche Märkte konsistente P50-Strompreiskurven berechnet werden. Diese können klimabedingte Veränderungen über die Zeit abbilden. Das wirkt sich auf die erwarteten Erlöse der Erneuerbaren aus. In Deutschland steigen sie beispielsweise im Vergleich zum Standardszenario in einigen Jahren um bis zu 30 %. Ein exklusiver Einblick in den Ansatz erklärt, wie er aus der klassischen Anwendung von Wetterjahren hervorgegangen ist und welche Vorteile er bietet.

Modellierung von Wetter in Strompreisszenarien

Fundamentale Strompreisszenarien dienen dazu, mögliche Entwicklungen der Strompreise in den kommenden Jahren und Jahrzehnten aufzuzeigen. Das erleichtert es, beispielsweise die Wirtschaftlichkeit von Erzeugungsanlagen oder anderen Projekten zu bewerten. Die Analysten von Energy Brainpool berechnen die Strompreisszenarien mit Hilfe des fundamentalen Strommarktmodells „Power2Sim“. Es simuliert stundenscharf das Angebot und die Nachfrage auf dem Strommarkt – die sogenannte „Merit-Order“ – unter Annahme einer Vielzahl von Modellparametern bis 2060.

Folgende Faktoren beeinflussen die Strompreisbildung:

  • der verfügbare Kraftwerkspark, gegeben durch die installierten Erzeugungskapazitäten und kurzfristigen Kraftwerksverfügbarkeiten
  • die Stromnachfrage,
  • die Marktpreise für Commodities wie Erdgas,
  • CO2-Zertifikate
  • und das Wetter.

Zu den Wetterelementen zählen die Temperatur, die Niederschlagsmenge, die Windgeschwindigkeit oder der Grad der Bewölkung. Diese Faktoren beeinflussen die Strompreisbildung nicht nur auf der Erzeugungsseite bei Solaranlagen, Windturbinen und Wasserkraftwerken. Demgegenüber wirkt es sich auch auf der Nachfrageseite aus, beispielsweise auf den Heiz- oder Kühlungsbedarf.

Die fundamentale Strommarktmodellierung muss daher Annahmen über das Wetter bis weit in die Zukunft treffen. Natürlich wäre es dabei nicht praktikabel, für jede Stunde in den nächsten 30 Jahren spezifische Wetterannahmen zu treffen. Denn eine Vorhersage für die tatsächlich eintretenden Wettermuster ist in diesem Zeitraum nicht möglich. Stattdessen greifen Strommarktmodelle häufig auf historische „Wetterjahre“ zurück: Dabei wird angenommen, dass ein zukünftiges Modelljahr im Hinblick auf die Temperatur und die Erzeugungsprofile der erneuerbaren Energien (Wind und Solar) dieselben Werte oder Muster aufweist wie ein Kalenderjahr in der Vergangenheit.

Spezielle Faktoren bei der EE-Erzeugung

Bei der EE-Erzeugung muss man noch unterscheiden zwischen der unterjährigen „Verteilung“ der Einspeiseprofile und der jährlichen Gesamterzeugung. Ersteres wird häufig dargestellt in Form von sogenannten Kapazitätsfaktoren. Ein stündlicher Kapazitätsfaktor von 0.5 für Wind Onshore gibt beispielsweise an, dass in einer bestimmten Stunde Strom in Höhe von 50 % der installierten Nennkapazität erzeugt wurde. Das kann sich sowohl auf eine individuelle Anlage als auch auf die gesamte Onshore-Erzeugung von beispielsweise Deutschland beziehen.

Summiert man die Kapazitätsfaktoren über alle Stunden des Jahres auf, so erhält man die sogenannten Volllaststunden („full load hours“, FLH), aus denen sich, multipliziert mit der installierten Kapazität, die jährliche Gesamterzeugung ergibt.

monatliche Kapazitätsfaktoren für Wind Onshore für ausgewählte Jahre, Wetterschwarm, Energy Brainpool

Abbildung 1: monatliche Kapazitätsfaktoren für Wind Onshore für ausgewählte Jahre (Quelle: RenewablesNinja)

Abbildung 1 zeigt den monatlichen Durchschnitt der Kapazitätsfaktoren für Wind Onshore in den Jahren 2006, 2009 und 2014. Dies bezieht sich auf die gesamte momentan installierte Kapazität in Deutschland. Sie illustriert, dass es zwischen Wetterjahren nicht nur Unterschiede in der Anzahl der Volllaststunden gibt, sondern sich die Einspeiseprofile auch teils erheblich unterscheiden im Hinblick auf die unterjährige Verteilung. Das Jahr 2006 hatte beispielsweise eine höhere Anzahl von FLH (1595 h) im Vergleich zu den anderen beiden Jahren (1568 h in 2009 bzw. 1559 h in 2014). Insbesondere in den ersten beiden Monaten des Jahres war die durchschnittliche Erzeugung aber geringer.[1]

Die Wahl des Einspeiseprofils wie auch der Temperaturannahmen beeinflusst über die Merit-Order direkt die stündliche Strompreisbildung. Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass die Ergebnisse eines Strompreisszenarios nicht unerheblich von der Wahl des speziellen Wetterjahres abhängen.

Wetterjahre und die „P50-Kurve“

Energy Brainpool verwendet in seinen Strompreisszenarien für den gesamten Betrachtungszeitraum momentan das Wetterjahr 2009. Mit anderen Worten, in jedem Modelljahr von 2024 bis 2060 entsprechen die Annahmen hinsichtlich (1) der unterjährigen Verteilung der Kapazitätsfaktoren für die Erneuerbaren und (2) den Temperaturen den entsprechenden Zeitreihen aus dem Jahr 2009.

Die angenommenen Volllaststunden für Wind und Solar und damit die jährliche Gesamterzeugung können sich je nach Technologie im Zeitverlauf ändern, dafür werden die historischen Kapazitätsfaktoren je nach Annahme nach oben oder nach unten skaliert.

Natürlich wäre es auch möglich, das Wetterjahr im Verlauf des Modellierungszeitraums zu ändern oder sogar in jedem Modelljahr ein anderes Wetterjahr anzunehmen. In der „Standardversion“ eines Strompreisszenarios wie bisher beschrieben wäre die Wahl einer solchen Sequenz von Wetterjahren aber zwangsläufig willkürlich und inkonsistent. Dementsprechend wird das Wetterjahr 2009 über die Zeit konstant gehalten. Die Analysten haben 2009 Wetterjahr durch den Vergleich verschiedener historischer Wetterjahre in einem bestimmten Szenario ausgewählt.

Genauer gesagt wurden die simulierten Jahresdurchschnittskurven für den Strompreis – der sogenannte „Baseload-Preis“ – in den größten europäischen Ländern für die verschiedenen Wetterjahre verglichen. Und das Wetterjahr identifiziert, das die mittlere Kurve im Sinne des Medians oder „P50-Wertes“ lieferte. Daraus ergibt sich auch die Interpretation der Ergebnisse eines Strompreisszenarios als „P50-Kurve“: Die simulierten Baseload-Preise entsprechen dem P50-Erwartungswert im Hinblick auf ein Sample von historischen Wetterjahren.

Allerdings stellt sich bei dieser Interpretation die Frage, inwieweit sie räumlich und zeitlich generalisierbar ist. Das bedeutet im Einzelnen:

  1. Die Wahl des Wetterjahres wurde auf eine bestimmte Größe (Baseload-Preis) und bestimmte Länder kalibriert. Es ist nicht klar, wo in der Verteilung aller Wetterjahre das Jahr 2009 für andere Länder und/oder andere Zeitreihen, beispielsweise Capture-Preise[2], zu verorten ist und ob es die Annahme einer P50-Kurve in diesen Fällen erfüllt.
  2. Aufgrund des Klimawandels ändern sich Wettermuster bzw. die Wahrscheinlichkeiten, dass bestimmte Typen von Wetterjahren auftreten. Für die Modellierung bedeutet das, dass das Wetterjahr 2009 für die kommenden Jahre zwar eine gute Wahl als P50-Annahme darstellen kann. Wenn aber im Zuge der Klimaveränderungen mit der Zeit bestimmte historische Wetterjahre aus dem Sample herausfallen, ist die Validität als P50-Annahme für Modelljahre weiter in der Zukunft, beispielsweise 2050, eingeschränkt oder nicht mehr gegeben.

Alternative zu einem festen Wetterjahr: der Wetterschwarm

Eine Lösung für eine valide P50-Strompreiskurve unabhängig von Land und Modelljahr ist ein sogenannter „Szenario-Schwarm“. Dabei wird ein gegebenes Szenario nicht nur einmal gerechnet. Stattdessen wird eine Vielzahl von Szenarioläufen – Energy Brainpools Schwärme bestehen in der Regel aus mindestens 1000 Läufen – betrachtet. Jeder davon hat zufällig gewählte Annahmen für bestimmte Modellparameter.

Im hier dargestellten Fall eines Wetterschwarms werden von Lauf zu Lauf die zugrundeliegenden Wetterjahre variiert. Konkret heißt das: Für jeden Lauf wird eine neue Sequenz von historischen Wetterjahren, eines pro Modelljahr, zufällig gezogen. Dieser Ansatz kann noch um andere randomisierte Parameter erweitert werden, beispielsweise die Rohstoffpreise oder die Stromnachfrage.

Wonach richtet sich die Wahrscheinlichkeiten, mit der bestimmte Wetterjahre gezogen werden?

Im einfachsten Fall könnte man von einer konstanten Gleichverteilung aller historischen Wetterjahre ausgehen: Dabei wird jedes Wetterjahr in einem gegebenen Modelljahr mit der gleichen Wahrscheinlichkeit gezogen, beispielsweise 1/35 für ein historisches Sample von 1985 bis 2019. Diese Wahrscheinlichkeit bleibt über die Modelljahre hinweg konstant. Mit diesem Ansatz ist es möglich, eine räumlich valide P50-Kurve für eine beliebige Zeitreihe zu berechnen:

  • Aus den Ergebnissen der individuellen Läufe lässt sich für jedes einzelne Modelljahr eine Häufigkeitsverteilung beispielsweise für den Baseload-Preis ermitteln. Eine solche Häufigkeitsverteilung ist in Abbildung 2 illustriert. Mit einer genügend großen Anzahl von Szenarioläufen nähert sich die Häufigkeitsverteilung der „wahren“ Wahrscheinlichkeitsverteilung an.
  • Aus der dargestellten Verteilung lässt sich der jahresspezifische P50-Wert Er gibt einen Grenzwert an, den der Baseload-Preis mit einer Wahrscheinlichkeit von (näherungsweise) 50 % überschreitet.[3]
  • Wiederholt man diese Auswertung für jedes Modelljahr, so ergibt sich eine P50-Kurve, die nicht einem einzelnen Szenariolauf entspricht, sondern für jedes Jahr den beobachteten P50-Wert über alle Szenarioläufe enthält.
beispielhafte Verteilung von Baseload-Preisen in einem Szenario-Schwarm, Wetterschwarm, Energy Brainpool

Abbildung 2: beispielhafte Verteilung von Baseload-Preisen in einem Szenario-Schwarm (Quelle: Energy Brainpool)

Anders gesagt spiegelt diese Kurve für jedes Land, jede Zeitreihe und jedes Modelljahr den Wert wider, der sich aus dem für diese Kombination spezifischen P50-Wetterjahr ergibt. Abbildung 3 vergleicht die Baseload-Preiskurven aus Energy-Brainpools-Standardszenario „Central“[4] für zwei kleinere Länder, Niederlande und Portugal, mit den entsprechenden P50-Kurven aus einem Central-Wetterschwarm mit identischen Eintrittswahrscheinlichkeiten.

Während die beiden Kurven für Portugal fast im gesamten Betrachtungszeitraum 2030 bis 2050 sehr nahe beieinanderliegen, ist die P50-Kurve für die Niederlande nahezu durchgängig etwas höher. Das deutet darauf hin, dass das Wetterjahr 2009 für die Niederlande nicht ganz dem P50-Erwartungswert entspricht.

Baseload-Preise im „Central“-Szenario und im dazugehörigen Wetterschwarm (P50-Kurve) für die Niederlande und Portugal, Wetterschwarm, Energy Brainpool

Abbildung 3: Baseload-Preise im „Central“-Szenario und im dazugehörigen Wetterschwarm (P50-Kurve) für die Niederlande und Portugal (Quelle: Energy Brainpool)

Klimawandel im Wetterschwarm

Ein Wetterschwarm, in dem alle Wetterjahre mit derselben Wahrscheinlichkeit gezogen werden können, löst das erste der oben beschriebenen „Caveats“ eines normalen Strompreisszenarios, die eingeschränkte räumliche Generalisierbarkeit als P50-Kurve. Die begrenzte zeitliche Generalisierbarkeit kann gelöst werden, indem die zugrundeliegende Verteilung der historischen Wetterjahre nicht als konstant angenommen wird, sondern sich über die Zeit verändert.

Anders gesagt: Um zukünftige Klimaveränderungen und ihre Auswirkungen auf die Ergebnisse von Strompreisszenarien zu berücksichtigen, werden Eintrittswahrscheinlichkeiten für die einzelnen Wetterjahre angenommen, die abhängig vom jeweiligen Modelljahr sind. Je weiter in der Zukunft das Modelljahr liegt, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein warmes Wetterjahr gezogen wird.

Dieser Zusammenhang ist in Abbildung 4 dargestellt. Sie zeigt auf der X-Achse die Modelljahre bis 2050 und auf der Y-Achse die Eintrittswahrscheinlichkeiten der Wetterjahre im Sample (1985 bis 2019). Dabei nimmt die Wahrscheinlichkeit der Warmwetterjahre, insbesondere 2014 bis 2019, über die Zeit kontinuierlich zu. Die genauen Werte für die Eintrittswahrscheinlichkeit wurden so angepasst, dass der daraus resultierende erwartete Temperaturanstieg für ein gegebenes Wetterjahr den Simulationsergebnissen aus aktuellen Studien zur Klimamodellierungs entspricht.

Eintrittswahrscheinlichkeiten der historischen Wetterjahre für die Modelljahre in einem klimasensiblen Wetterschwarm, Energy Brainpool

Abbildung 4: Eintrittswahrscheinlichkeiten der historischen Wetterjahre für die Modelljahre in einem klimasensiblen Wetterschwarm (Quelle: Energy Brainpool)

Vergleicht man nun die Ergebnisse eines solchen „klimasensiblen“ Wetterschwarms mit denen eines Strompreisszenarios mit einem festen Wetterjahr, lässt sich der Einfluss des Klimawandels auf die künftigen Baseload- und Capture-Preise abschätzen. Abbildung 5 zeigt diese Gegenüberstellung für das aktuelle „Central“-Szenario in Deutschland, für die Capture-Preise für Wind Onshore und Solar.

Capture-Preise im „Central“-Szenario und im dazugehörigen Wetterschwarm (P50-Kurve) für Deutschland, Wetterschwarm, Energy Brainpool

Abbildung 5: Capture-Preise im „Central“-Szenario und im dazugehörigen Wetterschwarm (P50-Kurve) für Deutschland (Quelle: Energy Brainpool)

Es fällt auf, dass sich die Capture-Preise für Wind Onshore nur geringfügig unterscheiden. Demgegenüber steigen die Capture-Preise für Solar im Wetterschwarm deutlich an. Das lässt sich erklären mit den Einspeiseprofilen insbesondere von Wind in den verschiedenen Wetterjahren. Abbildung 1 oben hat gezeigt, dass das Jahr 2014 im Hinblick auf die Stromerzeugung aus Wind eine stärkere „saisonale Schieflage“ aufweist als das Jahr 2009: In den Wintermonaten sind die Kapazitätsfaktoren, und damit die potenzielle Einspeisung, in 2014 deutlich höher. Dafür fallen sie in den Sommer- und Herbstmonaten hinter 2009 zurück.

Dieses Muster ist nicht nur in 2014 zu beobachten, sondern zeigt sich auch im Durchschnitt der Warmwetterjahre bis 2019. Von dieser saisonalen Schieflage profitieren die Solaranlagen: Im Sommer, wo der Großteil ihrer Stromerzeugung stattfindet, gibt es weniger gleichzeitige Einspeisung von Windturbinen. In der Folge verringert sich die Anzahl der Stunden mit niedrigen oder sogar negativen Strompreisen. Dadurch bekommen Solaranlagen nicht nur höhere Preise für ihren Strom, sie regeln auch weniger häufig ab, speisen also mehr Strom ein.

Zwar sinken dafür die Strompreise in den Wintermonaten. Unter dem Strich dominiert aber der Effekt im Sommer. Dadurch steigt der jährliche Capture-Preis für Solar, je nach Modelljahr um bis zu 30 % im Vergleich zum Standardszenario.

Für Wind Onshore auf der anderen Seite gibt es im Vergleich der Warmwetterjahre mit dem Jahr 2009 zwei Effekte, die sich nahezu ausgleichen: mehr Einspeisung zu niedrigeren Preisen in den Wintermonaten, aber weniger Einspeisung zu höheren Preisen im Sommer und Herbst. Als Folge ändern sich die Capture-Preise zumindest im Jahresdurchschnitt kaum.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Ein klimasensibler Wetterschwarm stellt aus unserer Sicht den besten Ansatz dar, um zukünftige Wettermuster in Strompreisszenarien mittels historischer Wetterjahre zu modellieren. Er ermöglicht nicht nur die Berechnung einer für jede Anwendung konsistenten P50-Strompreiskurve, sondern kann auch klimabedingte Änderungen über die Zeit abbilden. Auf diese Weise können Analyst:innen zukünftige Auswirkungen des Klimawandels auf relevante Größen wie die Capture-Preise besser bewerten. Das Konzept des Wetterschwarms führt auch zu einer neuen Risikobewertung für Strommarkterlöse insbesondere von Solaranlagen.

Mehr über Strompreisszenarien: Strompreisszenario-Schwärme | Energy Brainpool

Hinweise 

[1] Dass sich mit den Einspeiseprofilen des Wetterjahres 2006 im Januar und Februar sogenannte „kalte Dunkelflauten“ ergeben können, wurde in einem früheren Blogbeitrag diskutiert. https://blog.energybrainpool.com/neue-studie-versorgungssicherheit-in-einer-kalten-dunkelflaute-ist-klimaneutral-und-zu-adaequaten-kosten-moeglich/

[2] Der „Capture-Preis“ für Wind oder Solar ist der mengengewichtete Durchschnittserlös, der für die jeweilige Technologie in einem bestimmten Zeitraum, beispielsweise einem Jahr, für die erzeugbare Strommenge erzielt werden kann. Dabei wird angenommen, dass die Anlagen in Stunden mit negativen Strompreisen abgeregelt werden und nicht erzeugen.

[3] Neben dem P50-Wert kann man analog andere P-Werte bestimmen, z. B. einen P90-Wert oder P10-Wert.

[4] Mehr Informationen zu unseren aktuellen Strompreisszenarien finden Sie hier: https://www.energybrainpool.com/de/strompreiszenarien

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